Die gegenüber dem Testosteron stärkere androgene Potenz des Dihydrotestosterons (DHT) wird vielfach mit einer höheren Affinität als der des
Testosterons zum Androgenrezeptor (AR) zu erklären versucht. Doch Assoziations- und Dissoziationskonstanten beider Hormon-Rezeptor-Komplexe sind
unter Berücksichtigung der Stabilität des AR mit und ohne gebundenem Liganden etwa gleich hoch. Andererseits ist die ca. zehnfache Konzentration
an Testosteron erforderlich, um die gleichen transkriptorischen Effekte wie mit DHT zu erzielen. Neueste Untersuchungen lassen darauf schließen,
dass durch die Bindung von Testosteron an der Aktivierungsfunktion 2 weniger günstige Bedingungen für Interaktionen innerhalb des AR und mit
Koaktivatoren geschaffen werden als bei Bindung von DHT [1].
Genomische Wirkungen des Hormon-aktivierten Androgenrezeptors
. Der Androgenrezeptor unterscheidet sich von den anderen Steroidhormonrezeptoren, indem er durch zwei hochaffine Hormone aktiviert werden kann: Testosteron und Dihydrotestosteron. Das in seiner physiologischen Potenz stärkere DHT ist für die männliche sexuelle Entwicklung essenziell, während Testosteron das wirksame Androgen in der Muskulatur ist und anabole Effekte in der Pubertät hat.
Die molekulare Struktur des AR ähnelt der des Glukokortikoidrezeptors, des Progesteronrezeptors und des Mineralokortikoidrezeptors. Funktionell
lässt sich der AR in Module gliedern: Das N-terminale Ende ist die Transaktivierungsdomäne. Es schließen sich die DNA-Bindungsdomäne und die
Gelenk(hinge)domäne an. Am C-terminalen Ende befindet sich die Ligandenbindungsdomäne (Abb. 2).
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Abb. 1: Androgenrezeptor (AR) als Bestandteil des Transkriptionsapparates: Im regulatorischen Bereich eines Androgen-abhängigen Gens befinden sich Androgen-Response-Elemente, an die sich der dimere, Liganden-aktivierte AR anheftet. Der Transkriptionsapparat enthält neben Basalfaktoren zur Beschleunigung der Transkription auch Kofaktoren. | Abb. 2: Schematische Strukturen des Androgenrezeptor (AR)-Gens, der mRNA, des Rezeptorproteins und der funktionellen Domänen: Das AR-Gen enthält acht Exons. Das große Exon 1 umfasst die Transaktivierungsdomäne (TAD). Exons 2-8 kodieren für die DNA-Bindungsdomäne (DBD), die Gelenkdomäne (GD) und die Ligandenbindungsdomäne (LBD). |
Auch die Stabilität des Androgenrezeptors selbst spielt eine erhebliche Rolle für die androgene Aktivität. Freie Rezeptoren unterliegen einem
beschleunigten enzymatischen Abbau. Erst wenn die Rezeptoren durch Binden in einer optimalen Konformation fixiert werden, sind sie metabolisch stabil.
Demzufolge schützt DHT den Androgenrezeptor effektiver vor enzymatischer Degradierung als Testosteron (Abb. 3).
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Abb. 3: Der Androgenrezeptor (AR) wird durch verschiedene Liganden in unterschiedlichem Umfang stabilisiert. Testosteron (T)
und Dihydrotestosteron (DHT) haben etwa gleich große Affinitäten zum AR. Doch die Geschwindigkeit der Dissoziation ist beim T ca. dreimal höher
als beim DHT. Durch die größere Wechselrate kann T den AR nicht optimal stabilisieren. Hierdurch ist der AR zudem anfälliger gegenüber Proteasen
und wird rascher abgebaut. ARE = Androgen-Responseelement (nach Zhou Z-x, et al. 1995). |
Bei der Induktion mit dem Androgen wird im Bereich der Ligandenbindungsdomäne des AR eine hydrophobe Spalte an der Oberfläche für Interaktionen mit hydrophoben Bindungspartnern zugänglich. Als solche kommen Sequenzen in der N-terminalen Transaktivierungsdomäne des AR und andere Proteine (Koaktivatoren, Korepressoren) in Frage. Erstere Sequenzen haben das FxxLF-Motiv (F = Phenylalanin, L = Leucin, x = beliebige Aminosäure). Hierbei spielt insbesondere FQNLF (Phe-Gln-Asp-Leu-Phe) eine wichtige Rolle.
Die Interaktion der N- mit der C-terminalen Region des AR (N/C-Interaktion) ist für die Transaktivierungsfunktion unentbehrlich. Verschiedene natürlich vorkommende Mutanten des AR, bei denen keine N/C-Interaktion zustande kommt, verursachen Andro-genresistenz, auch wenn die hochaffine Bindung von Testosteron oder DHT nicht beeinträchtigt ist.
Die Aktivierungsfunktion 2 dient insbesondere auch als Bindungsstelle für verschiedene Koaktivatoren, die in ihrer Aminosäurensequenz ein
LxxLL-Motiv besitzen. Mit DHT als AR-Ligand sind hydrophobe Interak-tionen mit FxxLF- und LxxLL-Motiven durch die Möglichkeit der Ausbildung
von Wasser-vermittelten Wasserstoffbrückenbindungen energetisch begünstigt. Diese Stabilisierung trägt wesentlich dazu bei, dass der DHT-AR-Komplex
dreimal langsamer dissoziiert als der Testosteron-AR-Komplex.
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