Entzündliche Erkrankungen der Glomeruli können durch Schädigung aller in den Filtereinheiten vertretenen
Zellen und Strukturen verursacht werden. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich bei der Glomerulonephritis (GN)
um eine immunvermittelte Erkrankung, in deren Pathophysiologie neben Antikörpern auch Chemokine, Zytokine,
Wachstumsfaktoren, Komplementaktivierung, Koagulationsprodukte, Leukozyten und die Nierenzellen selbst eine
Rolle spielen. Ätiologisch werden primäre Nierenerkrankungen aufgrund akut entzündlicher Glomerulopathien,
akut entzündliche Glomerulonephritiden als Begleitreaktion bei Infektionen und Begleitreaktion systemischer
Erkrankungen unterschieden. Der Behandlung von Glomerulonephritiden ist in zahlreichen Fällen kein Erfolg
beschieden, so daß die Erkrankung eine der häufigsten Ursachen für terminales Nierenversagen ist.
Klinische Leitsymptome aussagekräftiger als pathologische Charakteristika
Insbesondere wird zwischen der Ausbildung eines nephrotischen Syndroms und einem (akut) nephritischen Verlauf
Das klinische Erscheinungsbild der Glomerulonephritiden kann sehr variabel sein:
Asymptomatische Verläufe kommen zufällig bei Urinuntersuchungen zum Vorschein. Man findet unter Umständen
eine milde Proteinurie und/oder eine Mikrohämaturie, vielfach ohne daß der Patient Ödeme aufweist und einen
Bluthochdruck entwickelt hat.
Der Patient mit einem nephritischen Syndrom präsentiert sich mit einer erst kurz zuvor eingetretenen
Hämaturie und Proteinurie. Die Nierenfunktion ist beeinträchtigt und durch Wasser- und Salzretention
entsteht Bluthochdruck. Das nephritische Krankheitsbild herrscht bei der rapid progressiven GN und der
akuten postinfektiösen GN vor. Teilweise wird es aber auch bei der membranoproliferativen und der
mesangioproliferativen GN beobachtet.
Bei der rapid progressiven GN kommt es innerhalb von Tagen bis drei Monaten zu einem Abfall der
glomerulären Filtrationsrate um mindestens 50 % bei zumeist nephritischem Krankheitsbild und ausgeprägter
Halbmondbildung. Als Verlaufsform kann die rapid progressive GN bei praktisch allen GN-Typen auftreten.
Die Bezeichnung geht auf einige Fälle von poststreptokokkaler GN mit ungewöhnlich fulminantem Verlauf
zurück.
Das nephrotische Syndrom ist durch eine erhebliche Proteinurie (>3,5 g/1,73 m2/Tag), Hypalbuminämie,
Hyperlipidämie und Ödeme gekennzeichnet.
Bei der chronischen GN nimmt die Erkrankung einen schleichenden Verlauf. Der Beginn ist meist nicht
feststellbar. Über Jahre und Jahrzehnte entwickelt sich vielfach eine Niereninsuffizienz. Histopathologisch
liegt der chronischen GN in den meisten Fällen eine mesangioproliferative GN, eine membranoproliferative GN
oder eine fokal sklerosierende GN zugrunde.
Glomerulonephritiden treten beim männlichen Geschlecht deutlich häufiger auf als beim weiblichen. Die Ausnahme
ist Lupus nephritis. Aber selbst da zeigt sich die verstärkte Anfälligkeit der Männer für Glomerulonephritiden,
denn der Geschlechterunterschied ist erheblich geringer ausgeprägt als beim systemischen Lupus erythematodes.
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Abb. 1a: Membranöse GN: Zwischen glomerulärer Basalmembran und Podozyten lagern sich
Immunkomplexe in granulärer Form ab, so daß es zu einer Schädigung der Podozytenfortsätze kommt. ![]() |
Die Minimalläsion (Minimal Change Disease) ist die häufigste Ursache für ein nephrotisches
Syndrom im Kindesalter. In den meisten Fällen spricht die Krankheit bei Kindern gut auf eine Steroidtherapie
an und ist reversibel.
Bei 20 bis 30% der Erwachsenen mit einem nephrotischen Syndrom läßt sich eine Minimalläsion nachweisen.
Die Krankheit ist gegenüber einer Behandlung mit Steroiden vielfach resistent, oder es kommt zum Rückfall.
In solchen Fällen kann unter Umständen mit Cyclosporin A und Cyclophosphamid erfolgreich behandelt werden.
Die Minimalläsion zeigt lichtmikroskopisch keine Auffälligkeiten. Erst im Elektronenmikroskop läßt sich die
Verschmelzung der Podozytenfortsätze erkennen.
Die membranöse GN ist die häufigste Ursache eines nephrotischen Syndroms im Erwachsenenalter.
Zur Schädigung des Harnfilters kommt es durch Ablagerung von Immunkomplexen zwischen den Podozytenfortsätzen
und der glomerulären Basalmembran (Abb. 1a, b). Sofern die Ursache hierfür nicht bekannt ist, wird von einer
primären (idiopathischen) Erkrankung gesprochen. Vielfach tritt die membranöse GN jedoch im Rahmen anderer
Erkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes oder einer Infektion mit Hepatisis-B-Viren auf.
Ursächlich kann auch die Einnahme von Medikamenten wie Captopril, Penicillamin sowie von Gold- und
Quecksilberpräparaten sein. Ferner kommt die membranöse GN bei Krebserkrankungen wie insbesondere Bronchial-,
Kolon- und Prostatakarzinom vor.
In etwa jedem vierten Fall von membranöser GN kommt es zu einer dauerhaften Spontanremission. Bei einem ähnlich
hohen Anteil der Patienten entwickelt sich eine unterschiedlich stark ausgeprägte persistierende Proteinurie mit
nichturämischer Azotämie. In etwa jedem zweiten Fall schreitet die Krankheit bis zur terminalen Niereninsuffizienz
voran.
Für die Therapie der idiopathischen membranösen GN sind Steroide allein völlig unwirksam. Vielmehr muß Prednisolon
mit Chlorambucil, Cyclophosphamid oder Cyclosporin A kombiniert werden. Bei günstigen prognostischen Voraussetzungen
(Proteinurie <6 g/d und Kreatinin <1,5 mg/dl) ist es aufgrund der hohen Rate an Spontanremissionen unter Umständen
lohnenswert, etwa ein halbes Jahr nur zu beobachten. Bei sekundären Fällen von membranöser GN steht die Behandlung
der Grunderkrankung im Vordergrund.
Die fokal segmentale Glomerulosklerose ist die zweithäufigste Ursache eines nephrotischen
Syndroms im Erwachsenenalter. Sie wird vielfach als eine Verlaufsform der Minimalläsion angesehen, bei der die
Podozyten in einzelnen Glomeruli, d.h. fokal so schwer geschädigt werden, daß sie teilweise zugrunde gehen und
es segmental zu Vernarbungen kommt. Charakteristischerweise treten eine plötzliche schwere Proteinurie,
Ödembildung und Kreatininanstieg auf.
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Abb. 2a: Mesangioproliferative GN (IgA-Nephropathie): Die Antikörper – vorwiegend IgA –
werden charakteristischerweise im Mesangium der Glomeruli abgelagert. Diese Ablagerung von IgA führt zur
Proliferation von Mesangiumzellen.![]() |
Die Beschreibung als membranoproliferativ beruht auf histopathologischen Befunden. Zum einen ist die Anzahl
der Mesangiumzellen deutlich vermehrt. Andererseits erscheint die Basalmembran der Kapillaren im Lichtmikroskop
deutlich verdickt. Oft ist sie auch als Doppelkontur (tram track) erkennbar, wenn sich Mesangiumzellen zwischen
Endothel und Basalmembran schieben, so daß sich vom Endothel her eine Art zweite glomeruläre Basalmembran ausbildet.
Die poststreptokokkale GN gilt als Prototyp der akuten postinfektiösen GN. Ihre Häufigkeit hat
sich in den meisten westlichen Ländern über die letzten Jahrzehnte kontinuierlich verringert. Hierfür werden in
erster Linie die verbesserte gesundheitliche Situation mit dem gezielten Einsatz von Antibiotika und gehobene
sozioökonomische Verhältnisse verantwortlich gemacht.
Die akute poststreptokokkale GN tritt beim männlichen Geschlecht etwa doppelt so häufig auf wie beim weiblichen.
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Abb. 3a: Bei der postinfektiösen GN kommt es zur Ablagerung von Immunkomplexen zwischen
Endothel und Basalmembran. Teilweise finden sich auch mesangiale Ablagerungen von IgG und insbesondere
Komplement C3.![]() |
Beim seltenen Goodpasture-Syndrom (rapid progressive GN Typ I) bildet das Immunsystem Autoantikörper gegen die 3-Kette des Kollagens Typ IV, das sowohl in der glomerulären Basalmembran (GBM) als auch in der Basalmembran
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Abb. 4: Halbmond (Immunfluoreszenz): Als Folge extrakapillärer Zellproliferation und
Fibrinansammlung in der Bowmanschen Kapsel wird das Kapillarkonvolut verdrängt. ![]() |
Bei der rapid progressiven GN Typ II handelt es sich um äußerst schwere Immunkomplexerkrankungen. Dieses Krankheitsbild kann unter anderem als fulminante Form der postinfektiösen GN auftreten. Ferner wird es bei der IgA-Nephropathie, der membranoproliferativen GN und bei Henoch-Schönlein-Purpura beobachtet.
Bei der rapid progressiven GN Typ III finden sich so gut wie keine Immunablagerungen (Pauci-Immun-GN).
Dieser GN-Typ entwickelt sich im Zusammenhang mit Vaskulitiden. Charakteristisch ist das Auftreten von Autoantikörpern,
die gegen Antigene in den Granula der segmentkernigen Leukozyten gerichtet sind. Diese Anti-Neutrophil-
Die generalisierte Wegenersche Granulomatose wird durch die Trias aus nekrotisierenden Granulomen
im oberen oder unteren Respirationstrakt, eine generalisierte nekrotisierende Vaskulitis sowohl der Arterien als auch
der Venen und eine nekrotisierende Glomerulonephritis definiert. Durch die Nierenbeteiligung kommt es zu einem subakuten
Kreatininanstieg, zu mäßiger Proteinurie und Mikrohämaturie. Im nephritischen Sediment findet man Erythrozytenzylinder
und Akanthozyten. Bei der pathologischen Untersuchung lassen sich c-ANCA nachweisen.
Die mikroskopische Polyangitis ist eine meist p-ANCA-positive Vaskulitis mit rapid progressiver GN.
Gelegentlich kommt sie auch als ein auf die Nieren beschränkter Krankheitsprozeß vor (nekrotisierende Halbmondnephritis).
Die Prognose der Wegenerschen Granulomatose hat sich mit Einführung der Kombinationstherapie aus Steroiden und
Cyclophosphamid erheblich gebessert.
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