Verschiedene Anticholinergika überwinden die Blut-Hirn-Schranke in unterschiedlichem Ausmaß
Ob bzw. inwieweit eine Substanz die Blut-Hirn-Schranke dennoch passiv überwinden kann, hängt wesentlich von ihren physikochemischen Eigenschaften ab. Hierbei spielen die Größe und Polarität des Moleküls sowie die Löslichkeit in den lipophilen und hydrophilen Bereichen der Permeabilitätsbarriere eine entscheidende Rolle. Tertiäre Amine wie Oxybutynin und Tolterodin sind lipophil, das quaternäre, salzartige
Zentralnervöse Nebenwirkungen unter einer Behandlung mit Anticholinergika, die die Blut-
Offenbar gelangt Oxybutynin leichter als Tolterodin ins Gehirn. Mit dem Älterwerden läßt die Dichtigkeit
der Blut-Hirn-Schranke aber nach, so daß beide Substanzen bei älteren Menschen zentralnervöse Effekte
hervorrufen können.
Im Einklang mit der zu erwartenden Überwindung der Blut-
Bei Patienten mit Krankheiten, aufgrund derer bereits ein cholinerges Defizit besteht, wie unter anderem bei der Parkinsonschen Krankheit, können sich die kognitiven Leistungen unter einer oralen Therapie mit Oxybutynin weiter verschlechtern. Unter Umständen kommt es sogar zur Auslösung eines schweren Parkinson-Syndroms [10].
Aus Holland wurden 17 Fälle publik gemacht, bei denen Patienten (Kinder und Erwachsene) nach vorschriftsmäßiger Behandlung mit Oxybutynin neuropsychiatrische Nebenwirkungen erlitten. Das Beschwerdespektrum umfaßte Halluzinationen, Psychosen, Konzentrationsschwierigkeiten, Orientierungsprobleme, Apathie, Teilnahmslosigkeit, Unruhe und Schläfrigkeit [11].
Beobachtungen, die darauf schließen lassen, daß die Blut-Hirn-Schranke im Alter durchlässiger wird,
liegen von drei Patienten vor, die aufgrund von Gedächtnisstörungen Acetylcholinesterasehemmer einnahmen
und zudem mit Tolterodin gegen überaktive Blase behandelt wurden. Hierbei schwächte sich die Wirkung des
Demenzpräparates ab und die kognitiven Funktionen verschlechterten sich daraufhin dramatisch [12].
Nach dem Vortrag „Anticholinergika und ZNS-Relevanz für die Therapie“ von Prof. Dr. med. Helmut Madersbacher
(Innsbruck) anläßlich der 9. Bamberger Gespräche „Der ältere Patient mit Blasenfunktionsstörungen – Sinnvolle
Diagnostik und Therapie in der Praxis“ am 10. September 2005 in Bamberg.
Literatur:
[1] Drachman DA, Leavitt J. 1974.
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[2] Lechevallier-Michel N, Molimard M, Dartigues J-F, et al. 2005.
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[3] Todorova A, Vonderheid-Guth B , Dimpfel W. 2001.
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[4] Diefenbach K, Donath F, Maurer A, et al. 2003.
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[5] Diefenbach K, Arold G, Wollny A, et al. 2005.
Effects on sleep of anticholinergics used for overactive bladder treatment in healthy volunteers
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[6] Herberg KW, Füsgen I. 1997.
Einfluß von Trospiumchlorid, Oxybutynin-HCl und Propiverin-HCl auf sicherheitsrelevante Leistungen. Geriatrie Forschung 7:77-83.
[7] Herberg KW. 1999.
Alltags- und Verkehrssicherheit unter Inkontinenz-Medikation: Neue Untersuchungen zum Sicherheitspotential
urologischer Anticholinergika. Med Welt 50:217-222.
[8] Staskin DR, Harnett MD. 2004.
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[9] Lipton RB, Kolodner K, Wesnes K. 2005.
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[10] Donnellan CA, Fook L, McDonald P, Playfer JR. 1997.
Oxybutynin and cognitive dysfunction. BMJ 315:1363-1364.
[11] t´Veld BA, Kwee-Zuiderwijk WJ, Puijenbroek EP, Stricker BH. 1998.
Neuropsychiatric adverse effects attributed to use of oxybutynin. Ned Tijdschr Geneeskd 14:590-592.
[12] Edwards KR, O´Connor JT. 2002.
Risk of delirium with concomitant use of tolterodine and acetylcholin-esterase inhibitors. J Am Geriatr Soc 50:1165-1166.
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