Mit der Entdeckung rekurrenter Genfusionen eines Androgen-regulierten 5´-Gens mit einem Gen aus der ETS-Familie beim Prostatakarzinom, scheint ein bedeutender Mechanismus für die Überexpression von onkogen wirkenden ETS-Tanskriptionsfaktoren gefunden zu sein. Hiervon werden bedeutende neue Einsichten in die Biologie dieser Tumorentität sowie Einflüsse auf den klinischen Umgang mit der Krankheit erwartet. Eine Reihe von Daten zeigt, dass durch Fusionsgene offenbar bestimmte molekulare Subtypen charakterisiert werden. Ferner mehren sich Indizien dafür, dass Genfusionen beim Prostatakarzinom einen charakteristischen klinischen Verlauf definieren, und ihr Nachweis somit als diagnostischer Test und Biomarker mit prognostischer Relevanz eingesetzt werden kann. Zudem besteht die Hoffnung, Genfusionen könnten sich für zielgerichtete Therapien als nützlich erweisen.
Genfusionen sind ein häufiges Ereignis bei hämatologischen (Philadelphia-Chromosom) und mesenchymalen malignen Krankheiten. Ihr Vorkommen in Karzinomen war
bis vor kurzem hingegen weitgehend unbekannt. Das hat sich seit ca. drei Jahren mit der Entdeckung zahlreicher rekurrenter genomischer Rearrangements in
Prostatakarzinomen grundlegend geändert. An diesen Umlagerungen sind jeweils ETS-Gene beteiligt. Diese Gene kodieren für eine Gruppe von onkogen wirkenden
Transkriptionsfaktoren. Als Partner in Genfusionen wurde hiervon zunächst entweder ERG (Estrogen-reguliertes Gen), ETV1 oder ETV4
identifiziert [Reviews 1-3].
Das TMPRSS2-Gen kodiert für eine Serin-Protease und wird prostataspezifisch stark Androgen-abhängig exprimiert. Eine niedrige intraprostatische Konzentration an Dihydrotestosteron (DHT), wie sie unter einer Androgendeprivationstherapie vorliegt, reicht aus, um eine ETS-Überexpression zu verursachen.
Häufigster Fusionspartner für TMPRSS2 aus der Gruppe der ETS-Gene ist ERG. Beide Gene sind auf dem langen Arm von Chromosom 21 (21q22.2-3) lokalisiert. Als häufigster Fusionsmechanismus gilt die Deletion des kurzen Abschnitts zwischen den beiden Genen.
TMPRSS2:ERG-Fusionen kommen bei ca. jedem zweiten Prostatakarzinom vor. Dieser hohe Anteil ergibt sich aus den gemittelten Ergebnissen von mehr als zwei Dutzend Studien mit insgesamt etwa 1.500 analysierten Fällen von lokalisiertem Prostatakrebs. Er kann je nach untersuchtem Krankengut in weiten Grenzen variieren. Angesichts der hohen Prävalenz von Prostatakrebs ist die TMPRSS2:ERG-Genfusion aber in jedem Fall eine der häufigsten somatischen, genetischen Alterationen im Zusammenhang mit malignen Krankheiten.
Die TMPRSS2:ERG-Fusion kommt häufig in Verbindung mit morphologischen Merkmalen eines aggressiven Prostatakarzinoms vor. Hierzu zählen bläulich getönter Schleim, siebförmige Wachstumsmuster, Makronukleoli, intraduktale Tumorausbreitung sowie Charakeristika von Siegelringzellen. Nur 24% der Tumoren, die keines dieser Merkmale aufweisen, enthalten die TMPRSS2:ERG-Fusion [5].
Rajput et al. (2007) entdeckten TMPRSS2:ERG-Fusionen vorwiegend in mäßig bis schlecht differenzierten Tumoren. Keine Genfusionen fanden sich dagegen
in hyperplastischen Prostatae [6].
• Auf genomischer Ebene dient die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH)-zur Entdeckung chromosomaler Veränderungen.
• Auf Transkriptomebene dienen Polymerase-Kettenreaktion (PCR)-basierte Assays zur Entdeckung und Quantifizierung von Fusionstranskripten.
Die Gene für ETV1 und ETV4 liegen jeweils auf einem anderen Chromosom als TMPRSS2. Die FISH-Signale für jedes Gen beider Allele liegen im Zellkern räumlich getrennt voneinander. Durch unterschiedlich farbliche (grün, rot) Markierung von TMPRSS2 und ETV1 bzw. ETV4 lassen sich die Genpaare in Zellen ohne Genfusion (Wildtyp) deutlich unterscheiden. Beim Auftreten eines Signals aus zwei eng beieinanderliegenden Markierungen (grün und rot), dessen Überschneidung gelb erscheint, kann auf eine heterozygote Fusion geschlossen werden (Abb. 1a).
Um mit FISH eine TMPRSS2:ERG-Genfusion entdecken zu können, werden Translokationsassays (break-apart assays) angewandt. Denn die beiden Gene liegen auf Chromosom 21 zu
eng beieinander, als dass die Fusion mittels eines Fusionsassays einwandfrei unterschieden werden könnte. Aus einer Translokation wird in diesem Fall auf eine Fusion
zwischen TMPRSS2 und ERG geschlossen (Abb. 1b).
![]() |
Abb. 1a, b: Assays zur Detektion von Fusionsgenen zwischen TMPRSS2 und ETS-Genen mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung. a) Beispiel für ETV1 bzw. ETV4. b) Beispiel für ERG. |
Zunächst waren nur Fusionsgene mit ETV1 und den neuen 5’-Partnern bekannt. Jüngst wurde auch ETV5 als Fusionspartner von TMPRSS2 und SLC45A3 identifiziert. Damit ist neben ETV1 und ETV4 das dritte und letzte Mitglied aus der PEA3-Unterfamilie von ETS-Genen an Genfusionen in Prostatakarzinomen beteiligt [8].
Bislang waren stets nur Transkripte der Fusionsgene identifiziert worden. Mit DDX5-ETV4 wurde erstmals ein Gesamtfusionsprotein identifiziert [9].
Perner et al. (2007) analysierten Gewebeproben von Patienten mit benigner Prostataerkrankung, Prostatakrebs-Vorstufen, klinisch lokalisierten Prostatakarzinomen,
sowie Hormon-naive und Hormon-refraktäre Metastasen. In ca. jedem zweiten lokalisiertem Prostatakarzinom (48,5%) sowie in 30% der Hormon-naiven und 33% der
Hormon-refraktären Metastasen wurde die TMPRSS2:ERG-Fusion nachgewiesen. Keine Genfusionen wurden in den Gewebeproben bei benigner Prostataerkrankung vorgefunden.
Aber in 19% der prostatischen intraepithelialen Neoplasien (PIN) mit hohem Tumorgrad waren TMPRSS2-ERG-Fusionen nachweisbar (allerdings nur vermischt mit Krebsherden,
die das gleiche ERG-Rearrangement aufwiesen). Offenbar führen genetische Schäden zu deregulierter Proliferation und dem Erscheinungsbild von PIN, während
TMPRSS2:ERG-Fusionen ein frühes Ereignis in der Entwicklung eines invasiven Adenokarzinoms der Prostata sind [10].
Nam et al. (2007) untersuchten bei 26 Patienten mit einem klinisch lokalisierten Prostatakarzinom gleichen histologischen Grades (Gleason Score 7) das Auftreten eines biochemischen Rezidivs nach radikaler Prostatektomie. In elf der Fälle (42,3%) wurde das TMPRSS2:ERG-Fusionsgen nachgewiesen. Bei diesen Patienten war die 5-Jahres-Rezidivrate signifikant höher als bei den Patienten ohne die Genfusion (79,5 versus 37,5%) [11].
Ergebnisse von Demichelis et al. (2007) lassen erkennen, dass die TMPRSS2:ERG-Fusion beim Prostatakarzinom zur Entwicklung eines aggressiven Phänotyps beiträgt.
Zugleich wird die kritische Rolle von ERG als ein Onkogen bei Prostatakrebs beleuchtet. In einer Kohorte von Prostatakrebs-Patienten unter aktiver Überwachung
(Watchful Waiting) war die kumulative Inzidenz von Metastasierung und/oder krebsspezifischer Mortalität in Fällen mit nachgewiesener TMPRSS2:ERG-Fusion signifikant
höher (Abb. 2) [12].
![]() |
Abb. 2: TMPRSS2:ERG ist bestimmender Faktor für die kumulative Inzidenz der Metastasierung und Prostatakrebs-spezifischen Mortalität (nach Demichelis F, et al. 2007). |
![]() |
Abb. 3: Kaplan-Meier-Analyse zum Vergleich des Prostatakrebs-assoziierten Überlebens bei Patienten mit einem Prostatakarzinom ohne TMPRSS2:ERG-Fusion sowie mit einer 1Edel- oder einer 2 + Edel-Mutation (siehe Erklärung im Text) (nach Attard G, et al. 2007). |
© 2003-2025 pro-anima medizin medien
–
impressum
–
mediadaten
–
konzeption
–
datenschutz