Über den hohen Stellenwert des Prostata-spezifischen Antigen (PSA)-Tests zur Prostatakrebsfrüherkennung besteht in der Urologie weitgehender Konsens. Doch die allenthalben beklagten Unzulänglichkeiten der Methode, lassen auch ihre eifrigsten Verfechter gegenüber Kritikern bisweilen in die Defensive geraten. Den einen ist die Art wie der Test im Praxisalltag zumeist gehandhabt wird zu wenig sensitiv, den anderen mangelt es an Spezifität. In dieser Situation kann man nicht durch Verschieben des Schwellenwertes nach unten oder oben beiden Parteien gerecht werden. Deshalb hat man schon früh versucht, andere Variable wie das Alter des Patienten, die Prostatagröße, das freie PSA und die Geschwindigkeit mit der der PSA-Wert ansteigt in die Beurteilung einzubeziehen. Zahlreiche Urologen erachten die PSA-Anstiegsgeschwindigkeit in Verbindung mit der Serum-PSA-Konzentration als effektive Methode zur Maximierung des positiv und negativ prädiktiven Wertes von PSA-Bestimmungen. Aktuelle Arbeiten befassen sich mit der Höhe des für die PSA-Anstiegsgeschwindigkeit festzulegenden Schwellenwertes und damit, ob diesbezüglich altersbezogene Schwellenwerte anzustreben seien.
Wege zur Steigerung des prädiktiven Wertes von PSA-Bestimmungen
Deshalb wird schon fast seit Anbeginn der PSA-Ära versucht, den einmalig oder wiederholt gemessenen PSA-Werten mehr Information abzugewinnen, d.h. ihren prädiktiven Wert zu steigern.
Bereits zu Beginn der 1990er Jahre wurden Untersuchungen zur Altersabhängigkeit des Serum-PSA-Spiegels gestartet. Ein wesentlicher Gesichtspunkt dabei war die Tatsache, dass die Prostata zahlreicher älterer Männer vergrößert ist, und dass bei Vorliegen einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) offenbar vermehrt PSA ins Blut übertreten kann. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden in teils recht heterogenen Populationen so genannte altersspezifische Referenzbereiche bestimmt, anhand derer dann altersbezogene PSA-Schwellenwerte definiert wurden. Diese sollten den altersunabhängigen Einheitsschwellenwert von 4,0 ng/ml ersetzen, haben es allerdings nicht zur Konsensus-Empfehlung geschafft.
Parallel zur Entwicklung der altersspezifischen Schwellenwerte wurden zugleich Untersuchungen zur PSA-Anstiegsgeschwindigkeit unternommen. Die Rationale
hierfür ist, dass sich die Menge pro Zeiteinheit ins Blut übertretenden PSA kaum verändert. Erst wenn Prostataerkrankungen wie BPH, Prostatitis und
Prostatakrebs auftreten, nimmt die „Undichtigkeit“ der Prostata zu. Im Falle malignen Wachstums wird ein fast exponentieller Anstieg erwartet. Bereits
1992 hatten Carter et al. [1] den Wert von 0,75 ng/ml/Jahr als Schwellenwert definiert, ab dem es ratsam sei, eine Biopsie vorzunehmen. Seit etlicher
Zeit werden von nachfolgenden Untersuchung immer häufiger Zweifel angemeldet, ob dieser Schwellenwert nicht zu hoch angesetzt sei.
Anhand der Ergebnisse von Berger et al. [2] lässt sich erkennen, dass in den Werten für die Serum-PSA-Konzentration und die PSA-Anstiegsgeschwindigkeit im Prinzip die gleiche Information steckt. Männer, die mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert werden, haben sowohl den höheren Serum-PSA-Spiegel als auch die höhere PSA-Anstiegsgeschwindigkeit. Zumindest heben sich die jeweiligen Mittelwerte deutlich von denen ab, die für die Männer ohne Prostatakrebs ermittelt wurden. Das scheint für das Zeitintervall, in dem sich ein Prostatakarzinom entwickelt, nur logisch zu sein, da sonst weder die Serum-PSA-Konzentration noch die PSA-Anstiegsgeschwindigkeit überhaupt prädiktiven Wert in Bezug auf ein Prostatakarzinom besäßen. Zugleich machen die Daten von Berger et al. [2] aber auch deutlich, dass ältere Männer mit Prostatakrebs offenbar bereits als jüngere Männer einen höheren PSA-Wert haben als diejenigen, die kein Prostatakarzinom entwickeln, und daran als mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko belastet zu erkennen sein sollten.
Die von Berger et al. [2] gemessenen Daten reichen zwar nicht so weit zurück, aber eine „Augenmaß-Extrapolation“ suggeriert, dass der Anstieg des
PSA bei späteren Prostatakrebs-Patienten in jüngeren Jahren – zwar auf höherem Niveau, aber mit ähnlich geringer Steilheit erfolgt wie bei den Männern
ohne Prostatakrebs. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erforschen, warum sich ein Prostatakarzinom offenbar in zahlreichen Fällen bereits
lange vor seiner Entstehung durch einen erhöhten Serum-PSA-Spiegel „ankündigt“.
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Abb. 1: PSA-Anstieg bei Prostatakarzinom-Patienten im Verlauf von zehn Jahren vor der Diagnosestellung. Im Vergleich dazu der Verlauf der PSA-Werte bei Männern gleichen Alters, bei denen sich offenbar kein Prostatakarzinom entwickelt (nach Berger AP, et al. 2005). |
In einer weiteren kürzlich publizierten Studie haben Sun et al. [4] PSA-Werte bei Männern unter 50 Jahren gemessen und anhand der Daten verschiedene
Schwellenwerte für die PSA-Anstiegsgeschwindigkeit getestet. Die mittlere Serum-PSA-Konzentration der jungen Männer ohne Prostatakarzinom betrug 0,7 ng/ml
bei einer PSA-Anstiegsgeschwindigkeit von 0,7 ng/ml/Jahr. Für diejenigen, bei denen Prostatakrebs diagnostiziert wurde, betrugen die entsprechenden
Werte 1,3 ng/ml bzw. 1,83 ng/ml/Jahr. Diese Werte liegen bemerkenswerterweise einerseits deutlich unterhalb und andererseits oberhalb der traditionellen
Schwellenwerte von 4,0 ng/ml bzw. 0,75 ng/ml/Jahr. Die Autoren kamen anhand von ROC-Analysen dennoch zu dem Schluss, dass eine PSA-Anstiegsgeschwindigkeit
von 0,75 ng/ml/Jahr für Männer unter 50 Jahren zu hoch angesetzt sei.
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Abb. 2: ROC-Analyse mit Werten der PSA-Anstiegsgeschwindigkeit für Männer 60 Jahre (nach Loeb S, et al. 2007). |
In einer neuen Arbeit gingen Yu et al. [7] der Frage nach, ob Prostatakrebs-Patienten mit einer höheren basalen Serum-PSA-Konzentration, von der aus
der Anstieg erfolgte, die „kritische“ PSA-Anstiegsgeschwindigkeit von 2 ng/ml/Jahr – bezogen auf das Jahr vor der Diagnosestellung – mit höherer
Wahrscheinlichkeit erreichen als Prostatakrebs-Patienten mit einer niedrigen basalen Serum-PSA-Konzentration. Ihre Ergebnisse bestätigen das voll und ganz.
Bei einer basalen Serum-PSA-Konzentration von 2,5, 2,6-4,0, 4,1-10,0 und >10,0 ng/ml betrug der Anteil der Männer mit einer höheren PSA-Anstiegsgeschwindigkeit
als 2,0 ng/ml/Jahr 1%, 14%, 31% bzw. 74% (p < 0,0001). In Abbildung 3 ist die Verteilung der Studienteilnehmer mit nachgewiesenem Prostatakarzinom die über
der Grenze von 2,0 ng/ml/Jahr PSA-Anstiegsgeschwindigkeit liegen auf die verschiedenen Bereiche der initialen Serum-PSA-Konzentration als Boxplot dargestellt.
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Abb. 3: PSA-Anstiegsgeschwindigkeiten bei Männern mit Prostatakrebs in unterschiedlichen Serum-PSA-Bereichen (nach Yu X, et al. 2007). |
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