Rund 30% aller Krebspatienten sind durch ihre Erkrankung so stark belastet, dass sie therapeutische Hilfe durch Psychoonkologen oder psychoonkologisch tätige Psychologen benötigen. Doch längst nicht jeder Patient kann sich für diese Hilfe öffnen. Während jüngere weibliche Patienten dem psychotherapeutischen Angebot gegenüber in vielen Fällen aufgeschlossen sind, ist der Zugang zu einem Großteil der uroonkologischen Patienten schwierig. „In der Uroonkologie behandeln wir viele ältere, an Prostatakrebs erkrankte Männer, die es nicht gelernt haben, über sich und ihre Gefühle zu sprechen“, sagt Prof. Dr. Peter Herschbach, Direktor des Roman-Herzog Krebszentrums (RHCCC) und der Sektion Psychosoziale Onkologie des Klinikums rechts der Isar München. Viele Männer nehmen entsprechende Unterstützungsangebote nicht in Anspruch, obwohl therapeutische Hilfe sinnvoll und notwendig wäre und ihre Lebensqualität deutlich verbessern könnte. Über den Stellenwert der Psychoonkologie in der Urologie referiert Prof. Herschbach auf dem 67. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU), der vom 23. bis 26. September 2015 in Hamburg stattfindet.
„Angesichts der Tatsache, dass wir rund ein Viertel aller Krebserkrankungen in Deutschland
behandeln, ist es mir ein Anliegen, die Psychoonkologie auf unserer Jahrestagung zu
thematisieren und in unserem Fachgebiet zum Wohle der Patienten zu stärken. Prostatakrebspatienten
sind dabei sicherlich eine große Zielgruppe“, sagt DGU- und Kongresspräsident Prof. Dr. Stephan Roth.
Das Prostatakarzinom ist mit rund 65.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung
und die dritthäufigste Todesursache bei Männern in Deutschland.
Der Kampf gegen Krebs ist nicht nur eine körperliche, sondern für viele Betroffene auch eine
tiefgreifende psychische Belastung. Angst und Erschöpfungszustände sind häufige
Begleiterscheinungen. Beispielsweise haben ca. 20 Prozent aller Prostatakrebspatienten
mindestens eine psychische Diagnose. Die Psychoonkologie ist mittlerweile ein integraler
Bestandteil der Behandlung und verankert in den Zertifizierungskriterien für onkologische
Zentren sowie in den onkologischen S3-Leitlinien und im Nationalen Krebsbehandlungsplan.
Das Fachgebiet beschäftigt sich unter anderem mit folgenden Fragen: Welchen Belastungen
sind Krebspatienten unterworfen? Woran erkennt man Patienten, die Hilfe brauchen? Welche
psychologische Unterstützung hat sich bewährt?
„Jeder Patient geht, je nach Persönlichkeit und persönlicher Lebenssituation, unterschiedlich
mit seiner Erkrankung um“, sagt Prof. Herschbach. Um herauszufinden, wer professionelle
Hilfe benötigt, hat sich das sogenannte Distress Screening etabliert. Anhand von wenigen
Fragen, die der Patient beantworten muss, kann der Arzt erkennen, ob der Patient
behandlungsbedürftigen psychischen Belastungen ausgesetzt ist und ggf. einen Psychoonkologen
hinzuziehen. Bei den an Prostatakrebs erkrankten Männern benötigen insgesamt danach
20 Prozent professionelle Hilfe, wobei laut Prof. Herschbach erfahrungsgemäß ältere
Männer mit der Situation oftmals besser zurechtkommen als jüngere, die besonders unter
begleitenden sexuellen Funktionsstörungen leiden. Sie haben nicht nur Angst vor einer
Ausbreitung der Erkrankung, sondern auch vor dem drohenden Verlust des männlichen
Selbstwertgefühls. Grundsätzlich ist es sinnvoll, die Frauen mit ins therapeutische
Boot zu holen. Der Direktor des Roman-Herzog Krebszentrums: „Es sind oft die Frauen,
die ihre Partner für psychoonkologische Begleitung empfänglich machen. Männer können
ihre Probleme und Ängste nach meiner Erfahrung schlecht kommunizieren – das übernehmen
nicht selten die Frauen.“
Die richtige Kommunikation zwischen Arzt und Patient spielt bei der Behandlung eine
zentrale Rolle. „Eines unserer Anliegen ist es, die kommunikative Kompetenz der
onkologisch tätigen Ärzte zu verbessern. Die Lebensqualität der Patienten kann davon
abhängen, wie der Arzt die Diagnose Krebs übermittelt, welche Worte er wählt, wie
empathisch er auf den Patienten eingeht“, sagt Prof. Herschbach. Dass die Art der
Gesprächsführung bedeutsam für die emotionale Situation des Patienten sein kann,
zeige sich auch etwa bei Prostatakrebspatienten, die sich für eine Active Surveillance
entscheiden. „Anhand von Daten aus Längsschnitt-Studien hat sich erwiesen, dass die
Patienten, die von ihrem Arzt umfassend informiert worden sind, denen der Ablauf genau
und laienverständlich erklärt worden ist, psychisch nicht stärker beeinträchtigt sind
als Patienten, die operiert worden sind“, so der Psychoonkologe.
Auf dem DGU-Kongress in Hamburg wird er deshalb appellieren, die kommunikative
Fachkompetenz der Urologen weiter zu schulen und die Patienten in jedem Einzelfall
gezielt auf psychoonkologischen Unterstützungsbedarf hin zu prüfen („DistressScreening“).
„Beides wollen wir als Fachgesellschaft unterstützen, denn wir haben großes Interesse
daran, die Psychoonkologie noch stärker im Behandlungsablauf zu etablieren und unseren
Patienten professionelle Mittel und Wege an die Hand zu geben, um die Belastungen ihrer
Krebserkrankung auch seelisch gut zu bewältigen“, sagt DGU-Präsident Prof. Stephan Roth.
Quelle: DGU
Juli 2015 |
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