Bei älteren Menschen ist es nicht unbedingt notwendig jeden
Tag den Darm zu entleeren. Es wird jedoch eine wöchentliche Stuhlfrequenz von mindestens drei
Stuhlgängen angestrebt. Denn je länger der Stuhl im Darm verbleibt, desto mehr dickt er
ein und desto schwieriger wird es, ihn auszuscheiden. Dies kann bis zur Stuhlimpaktion
oder Koprostase führen. Dabei ist meist das Rektum komplett mit hartem Stuhl ausgefüllt.
Jedoch können sich auch weiter proximal sogenannte Kotsteine ansammeln, die dann sogar
durch die Bauchdecke hindurch ertastet werden können. Gelegentlich ist mit diesem Zustand
auch eine Stuhlinkontinenz verbunden, indem flüssige Stuhlbestandteile an den Kotsteinen
vorbei unkontrolliert nach außen gelangen. Dies kann die Erkennung des eigentlichen
Problems unter Umständen erschweren. In letzter Konsequenz ist sogar ein (Sub)-Ileus
möglich.
Warum leiden gerade ältere Menschen unter chronischer Obstipation?
Die chronische Obstipation ist mit einer Prävalenz zwischen 3 und 18% in der Allgemeinbevölkerung
häufig und sie nimmt mit dem Alter zu. Generell sind Frauen häufiger betroffen als Männer. So
leiden bei den über 65-Jährigen bereits 26% der Frauen und 16% der Männer unter einer
chronischen Verstopfung, bei den über 84-Jährigen sind es 34% der Frauen und 26% der
Männer. Bei Bewohnern von Pflegeheimen gleicht sich die Häufigkeit mit 79% bei den Frauen
und 81% bei den Männern dann an [1].
Schon das ‚normale’, physiologische Altern kann die ansteigende Häufigkeit der Obstipation
mit bedingen. Einerseits kommt es zu einer Abnahme der Muskulatur an den inneren Organen,
dadurch wird die Darmperistaltik geschwächt. Andererseits vollzieht sich eine unaufhaltsame
Neurodegeneration, wodurch sich die Zahl der Nervenzellen im myenterischen und submukösen
Plexus des Darmes verringert. Dieser Prozess beginnt im frühen Erwachsenenalter und setzt
sich im mittleren und höheren Alter fort. Er führt zu schwächeren und langsameren
Kontraktionen des Darmes und auch zu einer verringerten Sensibilität des Enddarmes
mit der Folge eines schwächeren Defäkationsreflexes. Natürlich können auch neurologische
Erkrankungen wie Morbus Parkinson, multiple Sklerose, autonome Neuropathien im Rahmen eines
Diabetes mellitus oder ein Schlaganfall die Darmmotilität zusätzlich einschränken. In
einer Studie von Wai et al. wurde bei 41,6 % der Apoplex-Patienten Obstipation als
Frühsymptom beobachtet. Diese blieb auch nach der klinischen Erholung in 21,6% chronisch
bestehen [2].
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Multimorbidität im Alter. Sie bedingt häufig
die Einnahme einer Vielzahl von Medikamenten, zu deren Nebenwirkungen auch die Obstipation
zählen kann.
Immobilität spielt eine wichtige Rolle
Häufig ist das Altern mit einem Verlust an Mobilität verbunden. Hierzu können schwere
Erkrankungen oder Unfälle ebenso beitragen wie die oben bereits beschriebene Neurodegeneration.
Mehrere geriatrische Testinstrumente beschäftigen sich mit der Mobilität der Patienten. So wird
mithilfe des Barthel-Index bestimmt, inwieweit für die Aktivitäten des täglichen Lebens Hilfe
benötigt wird [3]. Der Timed up and go Test ist eine einfache Messung der Zeit, die ein
Patient benötigt, um ohne Hilfe aus einem Stuhl mit Armlehnen aufzustehen, eine Strecke
von drei Metern zu gehen und sich dann wieder hinzusetzen [4]. Die Sturzgefahr kann mithilfe
des Tinetti-Tests gemessen werden [5]. Vereinfachend werden die Patienten in drei Kategorien
eingeteilt: Go go, slow go und no go. Go go-Patienten sind in der Lage, ihre Alltagsaktivitäten
selbstständig zu erledigen, slow go’s sind zwar langsamer, kommen aber mit Hilfsmitteln noch
zurecht, und no go-Patienten sind auf ständige Hilfe angewiesen.
Therapie der Obstipation muss zum Patienten passen
Gerade in Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer chronischen Obstipation
wie auch auf die Möglichkeiten ihrer Behandlung ist die letztgenannte Patientengruppe, die
no go’s, von besonderer Bedeutung. Menschen, die nur noch sitzen oder liegen, nicht aber
mehr alleine gehen können, können auch nicht selbstständig über Ort und Zeitpunkt ihres
Stuhlgangs entscheiden. Einerseits wird der Stuhldrang häufig nicht mehr wahrgenommen,
andererseits kann ihm aber, wenn vorhanden, auch nicht spontan nachgegeben werden.
Diese Problematik macht deutlich, weshalb der von der Deutschen Gesellschaft für
Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) und der Deutschen Gesellschaft für
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in einer Leitlinie zur Therapie
der chronischen Obstipation vorgeschlagene Stufenplan hier nur eingeschränkt
anwendbar ist. Nach einer sorgfältigen Diagnostik werden darin zunächst Allgemeinmaßnahmen
wie Ernährungsumstellung, Erhöhung der Trinkmenge, Toilettentraining und vermehrte
körperliche Aktivität empfohlen. Hiervon ist für die no go’s nur wenig umsetzbar.
Von ihnen nehmen denn auch zwischen 50 und 74% Laxantien ein [6], die die nächste
Therapiestufe darstellen. Insbesondere osmotisch wirksame Substanzen (Polyethylenglykol
(PEG)-haltige Trinklösungen, bei Verträglichkeit aber auch Lactulose, Sorbitol sowie
Bisacodyl bzw. Natrium-Picosulfat) können bedarfsadaptiert und gegebenenfalls auch in
Kombination eingesetzt werden.
Die Würde bewahren
Die weit verbreitete Anwendung von Laxantien zeigt nur zu deutlich, wie viele Menschen
von chronischer Obstipation betroffen sind, und für viele unter ihnen sind sie auch
tatsächlich hilf- und segensreich. Allerdings gehen sie auch nicht selten mit unangenehmen
Nebenwirkungen wie Bauchkrämpfen, Blähungen und Übelkeit einher. Das größte Problem für die
no go’s dürfte jedoch die schlechte zeitliche Vorhersagbarkeit des ‚Therapieerfolges’ sein.
Gerade diese Patientengruppe ist nicht in der Lage, sich schnell zur Toilette zu begeben,
wenn ein plötzlicher starker Drang eintritt. Dies führt nahezu unvermeidlich zu
entwürdigenden, für Patient und Pflegekraft unangenehmen Situationen. Ebenfalls
unangenehm und keineswegs selten ist das völlige Wirkungsversagen von Laxantien.
Wenn es sich nicht vor allem um eine Ausscheidungsstörung handelt, empfiehlt die
Leitlinie für diese Fälle Prucaloprid, das derzeit einzige in Deutschland verfügbare
Prokinetikum. Derzeit darf es nur Frauen verschrieben werden, bei denen Laxantien nicht
wirken, weil in die Zulassungsstudien überwiegend weibliche Teilnehmer aufgenommen
worden waren. Mittlerweile wurde aber aufgrund positiver Ergebnisse einer reinen
„Männerstudie“ bei der EMA die Zulassung auch für männliche Patienten beantragt.
Mit Hilfe des 5-HT4-Agonisten wird eine Normalisierung der Darmmotilität angestrebt.
Durch die hohe Selektivität von Prucaloprid sind klinisch relevante kardiale
Nebenwirkungen nicht zu erwarten. Die Verträglichkeit von Prucaloprid wurde auch
an älteren Patientenkollektiven nachgewiesen [7, 8].
Literatur:
[1] Gallegos-Orozco et al. 2012. Am J Gastroenterol 107:18-25
[2] Cai W, Wang L, Guo L, Wang J, Zhang X, Cao W, Sheng X. 2013. Correlation analysis between post-stroke
constipation and brain injury. Nan Fang Yi Ke Da Xue Xue Bao. 33(1):117-120.
[3] Mahoney F, Barthel D. 1965. Functional evaluation: The Barthel Index. In: Maryland State Medical
Journal 14:56–61
[4] Podsiadlo D, Richardson S. 1991. The Timed "Up & Go": A test of basic functional mobility for frail
elderly persons. In: Journal of the American Geriatrics Society 39(2):142-148
[5] Tinetti ME. 1986. Performance-oriented assessment of mobility problems in elderly patients.
J Am Geriatr Soc. 34(2):119-126
[6] Kikkunen, O. 1991. Study of constipation in a geriatric hospital, day hospital, old peoples
home and at home. Aging (Milano) 3:161-170
[7] Müller-Lissner S, et al.2010. A double-blind, placebo-controlled study of prucalopride in elderly
patients with chronic constipation. Neurogastroenterol Motil 22:991–e255
[8] Camilleri M, et al. 2009. Safety assessment of prucalopride in elderly patients with constipation:
a double-blind, placebo-controlled study. Neurogastroenterol Motil. 21(12):1256-e117.
Quelle: Shire Deutschland GmbH
April 2015 |
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