Der von Novartis Pharma im Dezember 2015 in Berlin ausgerichtete „AML-Workshop für Nierenspezialisten“ bot Urologen und Nephrologen die Möglichkeit, das Krankheitsbild der Tuberösen Sklerose (TSC) in Tiefe zu besprechen. Renale Manifestationen spielen bei erwachsenen TSC-Patienten eine große Rolle. So machen insbesondere im frühen Erwachsenenalter renale Angiomyolipome (AML) die Hauptsymptome aus [5, 6].
TSC-AML: Risiken durch zielgerichtete Therapie reduzieren
TSC-assoziierte AML treten anders als sporadische AML-Formen oft multipel und bilateral auf.
Abhängig von der Größe sind die ansonsten oft asymptomatischen gutartigen Tumore durch ein
kumulatives Risiko für Blutungen gekennzeichnet [7]. Diese können häufig Embolektomien und
Nephrektomien notwendig machen und damit zu einem Verlust funktionstüchtiger Nephrone führen [8].
„Blutungen und deren Komplikationen zu verhindern, hat einen hohen Stellenwert“, betonte
Prof. Dr. Klemens Budde von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie der Berliner Charité.
„Denn sie können für die Patienten lebensbedrohlich sein“, führte Budde weiter aus. Patienten mit
TSC-assoziierten renalen Angiomyolipomen, bei denen ein Risiko für Komplikationen vorliegt, die
jedoch nicht unmittelbar operiert werden müssen, können dabei von der Gabe des mTOR-Inhibitors
Everolimus (Votubia®) profitieren [2]. Everolimus steht für diese Patienten seit Oktober 2012 in
Deutschland als erste und bislang auch einzige kausale medikamentöse Therapieoption zur Verfügung [2].
Für den mTOR-Inhibitor wurde in der placebokontrollierten, multizentrischen und doppelblinden
Phase-III-Studie EXIST-2 gezeigt, dass unter Everolimus signifikant mehr Patienten ein Ansprechen
der AML auf die Therapie zeigen als unter Placebo (54% versus 0%; 95%-Konfidenzintervall 44% – 63%; p<0,0001).
In die Studie eingeschlossen waren 118 erwachsene Patienten mit TSC (n=112) oder sporadischer
Lymphangioleiomyomatose (n=5), bei denen mindestens ein renales AML mit einem Durchmesser ≥3cm
vorlag. Die Studienteilnehmer erhielten randomisiert im Verhältnis 2 zu 1 entweder 10mg/Tag
Everolimus (n=79) oder Placebo (n=39). Bei nachgewiesenem Krankheitsprogress war ein Wechsel
vom Placebo- in den Verum-Arm möglich [9].
Patienten profitieren auch langfristig von mTOR-Inhibition
Die darüber hinaus vorliegenden Langzeitdaten machen deutlich, dass sich die Wirksamkeit von
Everolimus über einen langen Zeitraum aufrechterhalten lässt. Die AML-Ansprechrate, definiert
als ≥50%ige Reduktion aller Tumorvolumina gegenüber dem Ausgangswert, betrug nach 96 Wochen
63,3% und nach 192 Wochen 68,2%. Eine ≥30%ige Reduktion zeigten sogar 80,6% bzw. 81,8%
der Patienten [10]. „Zudem kam es bei keinem der in der Studie mit Everolimus behandelten Patienten
bisher zu einer Blutung aus einem AML“, ergänzte Budde [9].
Auch Hautmanifestation sprechen auf die Therapie an
Ferner wies Prof. Budde auf die hohe Krankheitslast der Patienten hin, die sich unter anderem
in der EXIST-2-Studie zeigte: Fast alle Patienten hatten Hautläsionen (n=114), bei 29 lag
eine Lungenbeteiligung und bei 57 eine ZNS-Beteiligung in Form von subependymalen
Riesenzell-Astrozytomen (SEGA) vor. Bei 46 Patienten war schon vor der Studie ein chirurgischer
Eingriff und bei 28 eine Embolisation aufgrund von AML erfolgt, 22 Patienten hatten bereits
eine Niere verloren [11].
Wie in der EXIST-2-Studie deutlich wurde, sprechen auch nicht-renale TSC-Manifestationen gut
auf die Therapie an. 26% der Patienten mit Hautmanifestationen zeigten eine Besserung
unter Everolimus (95%-Konfidenzintervall 16,6 – 37,2, p=0,0002) – dagegen keiner in der
Placebo-Gruppe [9]. Dies entspricht auch der klinischen Erfahrung von Dr. Susanne Brakemeier
von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie der Berliner Charité, die aktuell
in ihrem Zentrum etwa 100 TSC-Patienten betreut. „Die Besserung der meist im Gesicht
anzutreffenden, häufig stigmatisierenden Hautveränderungen kann die Compliance der Patienten
sehr fördern“, so die Expertin.
Bei TSC interdisziplinären Austausch im Blick haben
Etwa ein Drittel der TSC-Patienten weist auch retinale Hamartome auf, die einen weiteren
Baustein für die Diagnose liefern können [4]. So können sich diese selbst bei normalem Visus
mit Gesichtsfeldausfällen präsentieren. Auch retinale Astrozytome sind als TSC-Manifestationen
beschrieben. Patienten mit Verdacht auf TSC sollten daher auch einem Augenarzt vorgestellt
werden.
Insgesamt wiesen die Referenten darauf hin, dass Patienten deutlich von einem interdisziplinären
Austausch der Facharztgruppen profitieren könnten. Zusätzlich könnten effektive Therapien,
wie mit Everolimus bei TSC-AML, helfen, die Krankheitslast von Patienten mit TSC zu verringern.
Weitere Informationen finden Sie unter www.leben-mit-tsc.de.
Über TSC
TSC ist eine genetisch bedingte Systemerkrankung, die mit Fehlbildungen und gutartigen
Tumoren in nahezu allen Organen einhergehen kann [12]. Zu den am häufigsten betroffenen
Organen zählen das Gehirn, die Haut und die Nieren. Vor allem bei erwachsenen Patienten
sind fast immer die Nieren betroffen. Bei bis zu 75% der TSC-Patienten entwickeln sich
typischerweise im Jugendlichen- und Erwachsenenalter renale Angiomyolipome als häufigste
Nierenmanifestation [3]. Das Wachstum dieser Tumoren kann zu schwerwiegenden Komplikationen
wie Retroperitonealhämorrhagien, Aneurysmen und Nierenfunktionsstörungen führen. Akute
renale Blutungen sowie terminale Niereninsuffizienz zählen zu den häufigsten
Todesursachen bei TSC-Patienten [13]. Etwa 10 bis 20% aller renalen Angiomyolipome
sind TSC-assoziiert [14, 15]. Aus diesem Grund sollte bei Vorliegen von renalen
Angiomyolipomen stets mittels Differenzialdiagnose abgeklärt werden, ob ein
Zusammenhang mit TSC besteht. Besonders hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine
solche Assoziation bei Patienten im Alter von 20 bis 40 Jahren mit multiplen und/oder
bilateralen Läsionen. Zumeist handelt es sich bei TSC-assoziierten Angiomyolipomen
außerdem um größere Tumoren mit deutlicher Wachstumstendenz. Daraus ergibt sich ein
höheres Risiko für Komplikationen, insbesondere für akute Blutungen [14,16,17,18].
Die Ursache der Tumorbildung bei TSC ist heute weitgehend aufgeklärt. Eine entscheidende
Rolle spielt dabei der mTOR-Signalweg. Die Serin/Threonin-Kinase mTOR fungiert als
zentraler Regulator von Zellwachstum, -teilung, -stoffwechsel und -angiogenese. In
gesunden Zellen wird mTOR von einem Proteinkomplex aus zwei Untereinheiten (TSC1 und TSC2)
gehemmt. Bei TSC liegt jedoch aufgrund einer Mutation im Gen TSC1 oder TSC2 ein
Funktionsverlust des Proteinkomplexes TSC1-TSC2 vor [10]. Die Folge ist eine Überaktivität
von mTOR mit unkontrolliertem Zellwachstum und Ausbildung von Hamartomen wie subependymalen
Riesenzellastrozytomen im Gehirn oder Angiomyolipomen in den Nieren [19]. Der mTOR-Inhibitor
Everolimus „ersetzt“ die Funktion von TSC1-TSC2. Dadurch wird das gestörte Gleichgewicht
im mTOR-Signalweg wiederhergestellt und Tumorzellwachstum, -stoffwechsel und -angiogenese
werden bei TSC-Patienten wirkungsvoll gehemmt.
Referenzen:
[1] Eijkemans MJC, van der Wal W, Reijnders LJ, et al; Long-Term Follow up assessing renal
angiomyolipoma treatment patterns, morbidity, and mortality: An observational study in tuberous
sclerosis complex patients in the Netherlands; Am J Kidney Dis 2015; 66:638-645.
[2] Fachinformation Votubia®, Stand: März 2015.
[3] Northrup H, Krueger D. Tuberous sclerosis complex diagnostic criteria update: Recommendations
of the 2012 international tuberous sclerosis complex consensus conference. Pediatr Neurol 2013; 49:243-254.
[4] Aronow ME, Nakagawa JA, Gupta A, et al; Tuberous sclerosis complex: genotype/phenotype
correlation of retinal findings. Ophthamology 2012; 119:1917-23.
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[7] Bissler JJ, Kingswood JC, Renal Angiomyolipoma; Kidney Int 2004; 66:924-934.
[8] Williams JM, Racadio JM, Johnson ND, et al; Embolization of renal angiomyolipomata in patients
with tuberous sclerosis complex. Am J Kidney Dis 2006; 47:95-102.
[9] Bissler JJ, Kingswood JC, Radzikowska E, et al. Everolimus for renal angiomyolipoma in
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randomized controlled trial. Nephrol Dial Transplant 2015; Epub ahead of print. doi: 10.1093/ndt/gfv249.
[10] Bissler J, Radzikowska E, Zonnenberg B, et al. Everolimus for Renal Angiomyolipoma Associated
With Tuberous Sclerosis Complex: Efficacy and Safety after 3.5 Years of Treatment in the EXIST-2 Study.
Amercican Urological Association (AUA) Meeting 2015. PD35-10.
[11] Bissler JJ, Kingswood JC, Radzikowska, E et al. Everolimus for angiomyolipoma associated with
tuberous sclerosis complex or sporadic lymphangioleiomyomatosis (EXIST-2): a multicentre, randomised,
double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2013; 381:817–824.
[12] Yates JRW. Tuberous sclerosis. Europ J Hum Gen 2006; 14:1065–1073.
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May Clin Proc 1991; 66:792-796.
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Quelle: Novartis Pharma Pressemitteilung: Workshop zu Angiomyolipomen bei Tuberöser
Sklerose – Bei erwachsenen TSC-Patienten stehen renale Manifestationen im Vordergrund. Autor: Novartis Pharma GmbH.
Februar 2016 |
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