Mit fortschreitendem Alter nimmt die Multimorbidität, gleichzeitig aber auch die Komplexität
der Beeinträchtigungen eines Patienten zu [2]. Mehr als ein Drittel der über 65-Jährigen leidet
laut einer europäischen Studie an über vier Erkrankungen. Die Hälfte der Betroffenen nimmt
mehr als sechs Medikamente ein [3]. Durch eine Polypharmazie steigt das Risiko für
Nebenwirkungen und Arzneimittelinteraktionen. Zudem müssen in der Behandlung älterer
Patienten physiologische und pathologische Veränderungen, die die Pharmakokinetik und
-dynamik beeinflussen können, beachtet werden. Aufgrund dieser Besonderheiten erfordert
die Behandlung älterer und multimorbider Patienten eine altersgerechte Pharmakotherapie.
Die Datenlage für diese Patientengruppe ist jedoch eingeschränkt, zudem gibt es keine
evidenzbasierten Behandlungsstrategien bei Multimorbidität [4]. Gerade die Therapie von
Erkrankungen, die eine hohe Prävalenz in dieser Altersgruppe aufweisen, wie z.B. der
Symptomenkomplex der überaktiven Blase (ÜAB), muss bei älteren Patienten weiter
erforscht werden. Die ÜAB senkt nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen erheblich,
sondern bedingt im Alter mitunter Morbidität und Mortalität [5, 6].
Zu diesem Zweck hat die von Pfizer durchgeführte Studie die Wirksamkeit und die Sicherheit
von Fesoterodin bei älteren gebrechlichen ÜAB-Patienten untersucht. Die Studienergebnisse
zeigen, dass eine Behandlung in dieser Patientenpopulation gut wirksam ist und sich durch
ein gegenüber der jüngeren Bevölkerung vergleichbares Sicherheitsprofil auszeichnet [1].
„Von besonderer Bedeutung ist, dass das Antimuskarinikum Fesoterodin auch in dieser
Patientenpopulation ab 65 Jahre, die altersbedingt anfälliger für zentralnervöse
Nebenwirkungen ist, keine Beeinträchtigung wesentlicher Merkmale der kognitiven
Funktionen hervorruft*“, erklärte
ein interdisziplinärer Expertenkreis bestehend aus PD Dr. Matthias Oelke (Hannover),
Dr. Klaus Becher (Stralsund) und Prof. Dr. Martin Wehling (Mannheim). In einem Satellitensymposium,
das am 8. November im Rahmen des 25. Kongresses der Deutschen Kontinenz Gesellschaft
in Hannover stattfand, erörterten sie die Möglichkeiten und Herausforderungen der
Behandlung der ÜAB und (Drang-)Inkontinenz beim älteren Patienten.
Informationen zur Studie
In die 12-wöchige, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie wurden 562 ÜAB-
Patienten in einen Fesoterodin- oder einen Placebo-Arm randomisiert [1]. Im Fesoterodin-Arm
erhielten die Patienten Fesoterodin 4 mg einmal täglich für 4 Wochen, mit der Option einer
Dosiseskalation auf Fesoterodin 8 mg in Woche 4. Zwischen Woche 4 und Woche 12 konnte
jederzeit wieder auf 4 mg reduziert werden, eine anschließende erneute Dosiserhöhung war
nicht zulässig. Die Patienten litten seit mindestens drei Monaten an ÜAB-Symptomen mit
mindestens 8 Miktionen und 2-15 Dranginkontinenzepisoden in 24 Stunden. Zu den
Einschlusskriterien zählte ein Alter von mindestens 65 Jahren und mindestens 20 Punkte im
Mini-Mental-Status-Test (MMST) sowie ein erhöhtes Risiko für Mortalität und ein relevantes
Funktionsdefizit, das sich aus mindestens 3 Punkten im Vulnerable Elders Survey (VES-13)
ergab [8]. Ein Ergebnis von mindestens 3 Punkten zeigt an, dass der Patient ein 4,2-fach
erhöhtes Risiko aufweist, in den nächsten 2 Jahren zu versterben oder eine Abnahme der
Funktionsfähigkeit zu erleiden.
Ergebnisse der Studie
Die meisten Patienten entschieden sich für eine Dosiserhöhung in Woche 4 (Fesoterodin:
148 Patienten, 52,7%; Placebo: 181 Patienten, 64,4%), die meisten Patienten blieben bis
zum Studienende bei dieser Dosis (Fesoterodin: 125 Patienten, 44,5%; Placebo:
161 Patienten, 57,3%). Der Anteil an Patienten mit mindestens 6 bzw. 11 Komorbiditäten lag
im Fesoterodin-Arm bei 71% bzw. 34%, im Placebo-Arm bei 64% bzw. 27%.
Unter Fesoterodin reduzierte sich die durchschnittliche Anzahl der Drang-
inkontinenzereignisse (primärer Endpunkt) signifikant (-2,84 vs. -2,20). Die durchschnittliche
Anzahl der Miktionen sowie der Drangepisoden wurde unter Fesoterodin ebenfalls signifikant
stärker gesenkt als unter Placebo (-2,34 vs. -1,50 bzw. -4,15 vs. -2,75, ). Die gesundheits-
bezogene Lebensqualität, gemessen mittels OAB-q-Fragebogen, nahm in den 12 Therapie-
wochen unter Fesoterodin signifikant stärker zu als unter Placebo (23,1 vs. 17,6 Punkte),
während die Symptomenlast deutlicher unter Fesoterodin sank (-28,1 vs. -20,1 Punkte;) [1].
Vergleichbares Nebenwirkungsprofil
Die Studiendaten zeigen, dass auch in dieser Patientengruppe Fesoterodin gut vertragen
wurde. Die Ergebnisse zu unerwünschten Ereignissen waren vergleichbar mit den Daten zu
älteren Patienten aus der SOFIA-Studie, einer weiteren randomisierten Studie zur Sicherheit
und Wirksamkeit von Fesoterodin bei ÜAB-Patienten über 65 Jahren [7]. Mundtrockenheit war
das häufigste unerwünschte Ereignis und trat bei 23,5% der Patienten im Fesoterodin-Arm
und bei 6,0% der Patienten im Placebo-Arm auf. Obstipation betraf 11,1% der Patienten
unter Fesoterodin und 4,3 % der Patienten unter Placebo und war – wie Mundtrockenheit –
zumeist nur schwach bis mäßig ausgeprägt. 9,3% der Patienten unter Fesoterodin und
5,0% der Patienten in der Placebo-Gruppe brachen die Therapie aufgrund von
Nebenwirkungen ab [1].
In keiner Studiengruppe wurden signifikante Veränderungen des systolischen oder
diastolischen Blutdrucks oder des Ruhepulses beobachtet. Ebenso kam es, wie auch in der
SOFIA-Studie, in der
12-wöchigen Behandlung mit Fesoterodin zu keiner Verschlechterung
des MMST-Werts.
Fazit der Studie
Die neuen Studiendaten publiziert von DuBeau et al. zeigen, dass mit Fesoterodin in flexibler
Dosis auch bei älteren ÜAB-Patienten mit erhöhtem Risiko für relevante Funktionsdefizite
und Mortalität und Multimorbidität eine wirksame und verträgliche Symptomenreduktion
erzielt werden kann [1].
*Die Auswirkungen der Therapie mit Fesoterodin auf die Kognition wurden in zwei Studien mittels Mini-Mental-Status-Test
(MMST) erfasst. Dieser Test misst auf einer Skala von 0 bis 30 Merkfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit, Orientierung,
Aufmerksamkeit, Rechenfähigkeit und Sprache. 1,7 An gesunden Probanden zwischen 65 und 85 Jahren wurden weitergehende
Untersuchungen anhand validierter Tests zur Veränderung der psychomotorischen und ausführenden Funktionen, der
Aufmerksamkeit sowie der visuellen und verbalen Erinnerung durchgeführt [9].
Quellen:
[1] DuBeau CE et al. 2014. Effect of fesoterodine in vulnerable elderly subjects with urgency
incontinence: a double-blind, placebo controlled trial. J Urol. 191:395–404.
[2] Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gesundheit und Krankheit im Alter. Robert Koch-Institut 2009.
[3]Fialová D, Topinková E, Gambassi G et al. 2005. Potentially inappropriate medication use among
elderly home care patients in Europe. JAMA 293:1348-1358.
[4] Burkhardt H, Wehling M. 2013. Pharmakotherapie bei älteren Patienten: Strategien für eine
optimale Behandlung. CME 10:63–72.
[5] Nuotio M, Tammela TL, Luukkaala T, et al. 2002. Urgency and urge incontinence in an older
population: ten-year changes and their association with mortality. Aging Clin Exp Res 14:412-419.
[6] Brown JS, Vittinghoff E, Wyman JF et al. 2000. Urinary incontinence: does it increase risk for falls
and fractures? Study of Osteoporotic Fractures Research Group. J Am Geriatr Soc 48:721-725.
[7] Wagg A, Khullar V, Marschall-Kehrel D et al. 2013. Flexible-dose fesoterodine in elderly adults
with overactive bladder: results of the randomized, double-blind, placebo-controlled study of
fesoterodine in an aging population trial. J Am Geriatr Soc 61:185-1893.
[8] Saliba D, Elliott M, Rubenstein LZ et al. 2001. The Vulnerable Elders Survey: a tool for identifying
vulnerable older people in the community. J Am Geriatr Soc 49:1691–1699
[9] Kay G et al. 2012. Evaluation of cognitive function in healthy older subjects treated with
fesoterodine. Postgrad Med. 124:7-15.
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Januar 2014 |
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