Symptome vs. Cut-Off
„Die hohe Varianz sowohl bei der Messung als auch bei der Beurteilung der zum Teil stark
variierenden Referenzbereiche sorgt bei Ärzten für eine starke Verunsicherungen bei der
Diagnosestellung des männlichen Hypogonadismus“, sagte Prof. Dr. med. Frank Sommer, Männerarzt und
DGMG-Präsident. Und auch Patienten wüssten oft nicht damit umzugehen, dass sich Symptome und vom
Labor angegebene Testosterongrenzwerte manchmal nicht in Einklang bringen lassen.
Einem Erfahrungsbericht aus der Männergesundheits-Sprechstunde des Universitätsklinikums
Hamburg-Eppendorf zufolge lagen von 10.000 Patienten 8,4% zwar im Normbereich für Testosteron,
litten aber dennoch unter hypogonadalen Symptomen, wie nachlassender Muskelkraft, zunehmendem
Gewicht und / oder verminderter Libido – bis hin zu erektiler Dysfunktion. Daher werde es
Gegenstand künftiger Untersuchungen sein müssen, ob die bisher in nationalen wie
internationalen Leitlinien üblichen altersunabhängigen Cut-off-Werte dauerhaft
Bestand haben werden, so Prof. Sommer.
Funktioneller Hypogonadismus
Die EAU-Leitlinie empfiehlt, dass bei der Diagnostik ein funktioneller Hypogonadismus
abgeklärt werden sollte, wenn Übergewicht, ein Typ-2-Diabetes oder ein metabolisches
Syndrom vorliegen – da hierfür ein Testosteronmangel typisch ist. „Auch bei hohem
Bluthochdruck und großem Bauchumfang sollte man Testosteron screenen“, so Prof. Michael Zitzmann,
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie, Diabetologie und Sexualmedizin (FECSM)
am Universitätsklinikum Münster. „Ist dieses niedrig sowie bei hypogonadalen Beschwerden, sollte
für die betroffenen Patienten nicht nur eine Testosterontherapie in Betracht gezogen, sondern
ihnen vor allem auch zu einer Lebensstil-Änderung geraten werden.“
Der Hypogonadismus in der Hausarztpraxis
„In der Hausarztpraxis muss darüber aufgeklärt werden, dass es entgegen der weit verbreiteten
Annahme keine zunehmende Abnahme des Testosterons im Alter gibt, lediglich die Streuung der
Werte nimmt zu“, sagte Prof. Kathleen Herkommer, Leiterin der Andrologie an der
Klinik und Poliklinik für Urologie des Universitätsklinikums rechts der Isar in München. Sie stellte
zudem klar, dass die Testosterontherapie weder mit einem erhöhten Karzinom- noch mit
einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert ist. Hausärzte sollten
bei Patienten mit Risikofaktoren wie dem metabolischen Syndrom zumindest einmal das
Testosteron bestimmen und mögliche Hypogonadismus-Symptome abfragen. Für die weitere
Behandlung kann dann eine gute Zusammenarbeit mit einem Urologen/Andrologen oder
Endokrinologen erfolgen.
Individuelle Klinik vs. fixer Cut-off
Deutschlandweit gibt es viele verschiedene Assays und auch zahlreiche unterschiedliche
Referenzbereiche. „Die Methoden sind aber durchaus vergleichbar und zuverlässig.
Allerdings liegt der untere Wert des Referenzbereichs vieler Assays bzw. eines
Verfahrens, das in vielen Laboren eingesetzt wird, insbesondere bei über 50-Jährigen
unter dem Cut-off der EAU-Leitlinie“, erklärte Dr. med. Kay-Nikolas Meyer, Facharzt
für Laboratoriumsmedizin in Geesthacht. Daher sei es weiterhin fraglich, ob ein fixer Cut-off überhaupt Sinn
mache bzw. inwieweit ein Referenzbereich zuverlässig sei und ob man hinterfragen
müsste, auf welcher Population dieser basiere.
Empfehlungen für die Praxis
Im Rahmen der Abschlussdiskussion haben sich die Experten auf relevante Statements geeinigt, welche die Basis für einheitliche Empfehlungen für Praxen und Labore bilden sollen. Eine Sonderpublikation mit den Statements sowie einer Zusammenfassung des Expertengesprächs kann kostenfrei im Mitgliederbereich der DGMG unter www.mann-und-gesundheit.com abgerufen bzw. bei der Geschäftsstelle angefordert werden. Das Gleiche gilt für Ärzte / Fachkreise, die nicht DGMG-Mitglied sind. Sie erhalten die Publikation auf Anfrage in digitaler Form.
Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V.
12. März 2020 |
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