Bereits im Mai hatten Prof. Tobias Huber und Kollegen die ersten Ergebnisse einer
am UKE durchgeführten Autopsiestudie im „The New England Journal“ publiziert [1]. Die
wesentliche Erkenntnis lautete: SARS-CoV-2 befällt auch andere Organe als die Lungen, und
zwar in einem besonderen Maße die Nieren. Dort wurde bei den obduzierten Patienten
auffällig häufig das Coronavirus nachgewiesen. Die Ergebnisse einer
Folgeauswertung von 63 älteren, an COVID-19 verstorbenen
Patientinnen und Patienten wurden nun veröffentlicht [2]. In dieser Kohorte wurde bei
insgesamt 60% in den Nieren die RNA des neuartigen Virus gefunden.
Virusbefall der Nieren und Auftreten eines akuten Nierenversagens korrelieren signifikant miteinander
Doch was bedeutet dieser Virusbefall der Nieren für die Prognose von COVID-19-Patienten?
Um das zu beantworten, setzte die Arbeitsgruppe den Nachweis der Virus-RNA erstmals mit
dem dokumentierten klinischen Verlauf in Beziehung; konkret wurde geschaut, bei wie vielen
Patienten, die im Verlauf der COVID-19-Erkrankung ein akutes Nierenversagen entwickelt
hatten, das Virus in den Nieren post mortem nachgewiesen wurde. Im Ergebnis war bei 72%
der COVID-19-Patienten, die ein akutes Nierenversagen erlitten hatten,
SARS-CoV-2-RNA in den Nieren nachweisbar, während diese Rate bei Patienten ohne
COVID-19-assoziiertes Nierenversagen deutlich geringer war. „Virusbefall der Nieren
und Auftreten eines akuten Nierenversagens korrelierten also signifikant miteinander,
was angesichts der relativ hohen Inzidenz des akuten Nierenversagens bei schweren
COVID-19-Verläufen ein interessanter Befund ist“, erklärte Prof. Huber.
Eine Auswertung der Daten von 10.021 AOK-versicherten Patienten aus über 900 deutschen
Krankenhäusern, die Ende Juli publiziert wurde [3], hatte gezeigt, dass allein 27% der
beatmungspflichtigen COVID-19-Patienten während des Krankenhausaufenthalts dialysiert
werden mussten, was bedeutet, dass sie ein schweres akutes Nierenversagen erlitten
hatten. Das gleiche Ergebnis hatte zuvor schon eine Umfrage des Verbands der leitenden
Krankenhausnephrologen (VLKN) unter ihren Mitgliedern ergeben [4].
In den Nieren findet eine SARS-CoV-2 Virusreplikation statt
Bei Intensivpatienten wird häufig ein akutes Nierenversagen beobachtet,
auch bei COVID-19 könnte das Organversagen Folge eines sog. Zytokinsturms, einer
Entgleisung des Immunsystems, sein – und somit indirekt vom Erreger ausgelöst werden.
Die vorliegenden Daten zeigen, dass SARS-CoV-2 die Nieren zusätzlich auch direkt
schädigen könnte. Denn, wie die Hamburger Arbeitsgruppe zeigen
konnte, findet in den Nieren auch eine Virusreplikation statt. „Wir isolierten die
Virus-RNA aus der Niere eines Verstorbenen und sie vermehrte sich rasant im Reagenzglas,
und zwar um den Faktor 1000 binnen 48 Stunden. Bekannt ist, dass SARS-CoV-2-Viren erst
durch ihre Replikation in den Lungen zu Pneumonien und pathologischen Veränderungen führen.
Daher erscheint es nicht abwegig, dass sich Ähnliches auch in den Nieren abspielen könnte.“
Dieses direkte, nierenschädigende Potenzial des neuartigen Coronavirus müsse nun weiter
untersucht werden.
Weniger überraschend schätzen Experten hingegen das dritte Ergebnis der Studie von Huber et al. ein,
nämlich dass die Patienten, die nachweislich Virus-RNA in den Nieren aufwiesen,
eine höhere Rate an akuten Nierenversagen und auch eine höhere Sterblichkeit hatten. „Das kennen
wir von Intensivpatienten ohne COVID-19. Die Mortalität von Patienten mit akutem Nierenversagen (AKI)
ist etwa doppelt so hoch wie bei vergleichbar kranken Menschen ohne AKI“, erklärt
Prof. Dr. Jan C. Galle, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN). Seit Jahren
macht sich die Fachgesellschaft für eine nephrologische Mit- und vor allem
auch Nachbetreuung von AKI-Patienten stark. In internationalen Studien konnte gezeigt werden,
dass 57-75,6% der AKI-Fälle nicht erkannt werden [5].
AKI ist ein Risikofaktor für die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz – und das gilt
auch für Patienten, die ein COVID-19-assoziiertes AKI erlitten haben.
Literatur: Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
[1] Puelles VG, Lütgehetmann M, Lindenmeyer MT, et al. 2020. Multiorgan and Renal Tropism of SARS-CoV-2.
N Engl J Med. May 13.
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc2011400
[2] Braun F, Lütgehetmann M, Pfefferle S, et al. 2020. SARS-CoV-2 renal tropism is associated
with disease severity and acute kidney injury. The Lancet. 2020.
DOI:
https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31759-1
[3] Karagiannidis C, Mostert C, Hentschker C, et al. 2020. Case characteristics, resource use,
and outcomes of 10 021 patients with COVID-19 admitted to 920 German hospitals: an
observational study. Lancet Respir Med 2020, Jul 28.
https://www.thelancet.com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(20)30316-7/fulltext
[4] Ergebnisse der Querschnitts-Umfrage des VLKN vom 16.04.2020 zum Anteil der auf Intensivstationen
behandelten COVID-19 Patienten mit dialysepflichtigem AKI. Abrufbar unter:
https://www.dgfn.eu/vlkn-umfrage-dialysepflichtiges-aki-bei-intensivpatienten.html
[5] Weiss R, Meersch M, Pavenstädt HJ, Zarbock A. 2019.
Akute Nierenschädigung. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 116, Heft 49, 6. Dezember 2019.
18. August 2020 |
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