Hatten Sie in der vergangenen Woche Schmerzen? Waren Sie müde? Haben Sie sich Sorgen
gemacht? Fragen wie diese werden weltweit dafür genutzt, um die gesundheitsbezogene
Lebensqualität von Krebspatientinnen und Krebspatienten einzuschätzen. Sie stehen
auf dem Fragebogen „QLQ-C30“ der European Organisation for Research and Treatment
of Cancer (EORTC), der vor über 25 Jahren entwickelt wurde. Angewendet wird er
beispielsweise in klinischen Studien. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte wollen
so herausfinden, wie sich eine Therapie auf das Wohlbefinden der Betroffenen auswirkt.
Die Ergebnisse können zum Beispiel Hinweise auf die Effektivität einer Behandlung
geben oder eine Entscheidungsgrundlage für oder gegen die Zulassung neuer Therapeutika
liefern.
Die Ergebnisse von Fragebögen zur Lebensqualität sind allerdings oft nur bedingt
aussagekräftig. Was häufig fehlt, sind sogenannte Normdaten, die die ermittelte
Lebensqualität der Patientinnen und Patienten mit jener der Allgemeinbevölkerung
vergleichbar machen. Diese Daten haben Forschende der Charité jetzt im Auftrag der
Quality of Life Group der EORTC erhoben. Per Onlinebefragung hat das
Panelforschungsinstitut GfK dazu Informationen zur Lebensqualität von mehr als
15.000 Personen aus 11 Ländern der EU sowie Russland, Kanada, der USA und der
Türkei gesammelt. Die Daten der 11 EU-Länder sind dabei die Grundlage für die
Definition der „Europäischen Norm für den QLQ-C30“, während die anderen vier
Länder zum Vergleich herangezogen werden können.
„Mit den neu ermittelten Normwerten lassen sich die Angaben der Krebskranken
zu ihrem Wohlbefinden nun deutlich besser interpretieren“, sagt Dr. Sandra Nolte, Leiterin der Studie.
„Zwar gab es bereits für einige Länder Normdaten. Diese wurden jedoch in der Regel
mit unterschiedlichen Befragungsmethoden ermittelt, sodass sie für multinationale
Studien nicht verwendbar waren. Wir haben erstmals in allen Ländern dasselbe
Erhebungsverfahren angewendet, was den multinationalen Vergleich von Daten nun
wesentlich zuverlässiger macht. Davon werden Forschungsteams weltweit
profitieren – und letztendlich auch die Patientinnen und Patienten“, erklärt
Dr. Nolte.
Ein überraschendes Nebenergebnis der Studie betrifft die Unterschiede im Wohlbefinden der Allgemeinbevölkerung der untersuchten Länder: Während die unter den Deutschen ermittelte Lebensqualität im Mittelfeld lag, gaben die Befragten in Österreich und den Niederlanden die höchsten Werte an. Menschen aus Polen, Russland, der Türkei, Großbritannien und den USA hingegen nannten in der Regel deutlich niedrigere Werte in sämtlichen Bereichen ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität. So schätzten sie beispielsweise ihre körperliche und emotionale Verfassung schlechter ein oder berichteten vermehrt über Erschöpfung oder finanzielle Nöte im Vergleich zu Befragten aus Österreich oder den Niederlanden. „Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, bei länderspezifischen Studien die Normwerte des jeweiligen Landes heranzuziehen“, betont Dr. Nolte. „Denn es macht einen Unterschied, ob eine Krebspatientin aus Russland oder aus Spanien kommt, wenn sie angibt, erschöpft zu sein: In Russland gibt die Allgemeinbevölkerung eine deutlich stärkere Erschöpfung an als in Spanien. Für 15 Länder haben wir nun diese Normdaten, die sowohl länderspezifische als auch länderübergreifende Vergleiche ermöglichen.“
Nolte S, et al. 2018. General population normative data for the EORTC QLQ-C30
health-related quality of life questionnaire based on 15,386 persons across
13 European countries, Canada and the United States. Eur J Cancer 107 (2019) 153-163.
doi: 10.1016/j.ejca.2018.11.024 EORTC-Fragebogen zur Lebensqualität
Liegl G, et al. 2018. Establishing the European Norm for the health-related
quality of life domains of the computer-adaptive test EORTC CAT Core.
Eur J Cancer 107 (2019) 133-141. doi: 10.1016/j.ejca.2018.11.023
Der sogenannte „EORTC Core Quality of Life Questionnaire“ (QLQ-C30)
beinhaltet 30 Fragen zur Lebensqualität onkologischer Patientinnen
und Patienten. Sie beziehen sich unter anderem auf die physische,
kognitive, emotionale und Rollenfunktion der Befragten, ihren
allgemeinen Gesundheitszustand sowie Symptome wie Schmerzen,
Erschöpfung, Übelkeit oder Atemnot. Der Fragebogen kann als
papierbasierter oder elektronischer Test ausgegeben werden.
Alternativ ist eine sogenannte computeradaptive Version erhältlich
(„EORTC CAT Core“), die den Krebskranken nur Fragen präsentiert,
die zu ihrem Krankheitszustand passen. Forschende und Behandler
können den computeradaptiven Test ab sofort mit den neu ermittelten
Normdaten nutzen.
Quelle: Charité
29. März 2019 |
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