Angesichts des globalen Zusammenhangs zwischen steigendem Antibiotikaverbrauch und zunehmender
Erregerresistenz widmete sich auch ein skandinavisches Autorenteam um Jette Nygaard Jensen diesem
Problem. Sie berichten im Journal of Antimicrobial Chemotherapy über die Verschreibungshäufigkeit
und Dosierung von Antibiotika bei erwachsenen Frauen mit Harnwegsinfektionen im primärärztlichen
Bereich und die im Folgejahr zu beobachtende Resistenzsituation bei dem Erreger Escherichia coli.
Die Forscher verglichen zwei geographisch benachbarte Regionen, den Großraum Kopenhagen in
Dänemark und die Provinz Skåne in Südschweden. In beiden Ländern wird bei Harnwegsinfektionen
am weitaus häufigsten Pivmecillinam verordnet, ein oral verabreichbares Penicillinderivat, das
gegenüber bakteriellen Laktamasen besonders stabil ist.
Die Forscher wählten für ihre Untersuchung einen interessanten Ansatz. Sie verglichen die
Verschreibungshäufigkeit und Dosierung gängiger oraler Antibiotika und den In-vitro-Resistenzstatus
des häufigsten Erregers von Harnwegsinfektionen, Escherichia coli, in zwei geographisch benachbarten
Regionen: dem Großraum Kopenhagen in Dänemark mit 29 Kommunen und der Provinz Skåne in Südschweden
mit der Metropole Malmö und insgesamt 33 Kommunen. Beide Regionen sind durch eine Brücke über den
Öresund miteinander verbunden, die Gesundheitsversorgungssysteme beider Länder sind einander sehr
ähnlich, und das bei Harnwegsinfektionen weitaus am häufigsten verordnete orale Antibiotikum
ist Pivmecillinam, ein gegen bakterielle Laktamasen besonders stabiles Penicillinderivat.
Die Untersuchung wurde auf die Risikogruppe erwachsener Frauen (Mindestalter 18 Jahre) und
neben Pivmecillinam auf die Antibiotika Trimethoprim und Nitrofurantoin beschränkt. Um der
Latenzzeit zwischen der Anwendung der Antibiotika und der Entwicklung einer Resistenz Rechnung
zu tragen, wurden die Verschreibungsdaten für das Jahr 2014 erfasst, die Resistenzdaten für
das folgende Jahr.
Die Zielpopulation in der untersuchten dänischen und schwedischen Region umfasste ca. 726.000
bzw. 516.000 Frauen. Es stellte sich heraus, dass sowohl die Verordnungshäufigkeit der
Antibiotika, die verordneten Dosen als auch die Resistenzraten im Großraum Kopenhagen
signifikant höher waren als in der schwedischen Provinz Skåne. So lag für Pivmecillinam
die Verordnungshäufigkeit in Dänemark mit 123 Verordnungen pro 1.000 Frauen und Jahr um
74% über der von Schweden (71 pro 1.000 Frauen und Jahr). Auch die Pivmecillinamdosis pro
Verschreibung war in der dänischen Hauptstadtregion etwa doppelt so hoch wie in Skåne.
Trotz der erheblichen Variationsbreite von Verordnungshäufigkeit und prozentualer
Häufigkeit resistenter E. Coli-Isolate in den verschiedenen Kommunen bestand in beiden
Regionen keine signifikante Korrelation zwischen diesen Parametern. Der Anteil von gegenüber
Pivmecillinam resistenten Erregern war in beiden Regionen gering, er lag im Großraum Kopenhagen
bei 3,5% und in der Provinz Skåne bei 1,9%. Zum Vergleich: Die Resistenzraten in den beiden
Regionen betrugen für Trimethoprim 27,1% bzw. 14,2% und für Nitrofurantoin 1,3% bzw. 0,3%.
Die Gründe für die beträchtlichen regionalen und kommunalen Unterschiede im Verschreibungsverhalten der Primärärzte konnten die Autoren der Studie anhand ihrer erhobenen Daten nicht klären, sie waren aber durchaus überraschend. Denn die Autoren sehen keinen Grund zu der Annahme, dass die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen in der dänischen Zielpopulation deutlich größer sein sollte als in der schwedischen Provinz, zumal die medizinischen, sozialen, ökonomischen und klimatischen Rahmenbedingungen beider Regionen durchaus vergleichbar sind. Was die Resistenzraten betrifft, dürften diese in der Praxis wohl eher noch niedriger sein, da ein systematischer Selektionsfehler („Bias“) nicht auszuschließen ist: Wahrscheinlich ließen die behandelnden Ärzte bevorzugt die Urinproben von Patientinnen mit komplizierter Harnwegsinfektion in einem mikrobiologischen Labor untersuchen.
Quelle: Nygaard Jensen J, et al. 2018. Comparison of antibiotic prescribing and
antimicrobial resistance in urinary tract infections at the municipal level among women
in two Nordic regions. J Antimicrob Chemother 73:2207-2214
Apogepha Arzneimittel GmbH
4. Juli 2019
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