Die extensive Anwendung von Antibiotika und die damit verbundene Zunahme resistenter Keime stellt
ein globales Problem dar. Im ambulanten Bereich sind es unkomplizierte Harnwegsinfektionen, die
am häufigsten mit Antibiotika behandelt werden; von solchen Infektionen besonders betroffen sind
u.a. Menschen im fortgeschrittenen Alter oder nach Krankenhausaufenthalten sowie Männer mit
Prostataerkrankungen. Bei Harnwegsinfektionen ist die zunehmende Verbreitung multiresistenter
ESBL-bildender Enterobakterien wie Escherichia coli besonders alarmierend. ESBL steht
für „Extended-Spectrum-Betalaktamasen“. Für die Behandlung solcher ambulant erworbener
Infektionen stehen nur wenige oral verabreichbare Antibiotika zur Verfügung. Eines von
ihnen ist das gegenüber bakteriellen ESBL besonders stabile Penicillinderivat Pivmecillinam.
Seine Anwendung ist in Skandinavien bereits weit verbreitet. Bemerkenswert ist, dass dort in
vielen Jahren keine nennenswerte Zunahme der Resistenzraten gegen dieses Antibiotikum bei
uropathogenen Spezies von E. coli beobachtet wurde. Mehr noch, in einer jetzt im Journal
of Antimicrobial Chemotherapy publizierten Kohortenstudie norwegischer Autoren um Marianne
Bollegard zeigte sich ein erstaunliches Ergebnis: die Heilungsraten waren für Infektionen
mit ESBL-bildenden und nicht bildenden E. coli vergleichbar, wenn Pivmecillinam in einer
Dosis von 400 mg dreimal täglich angewendet wurde.
Die Untersuchung war als prospektive nichtinterventionelle Beobachtungsstudie konzipiert.
Ausgewertet wurden die Daten erwachsener Frauen aus 76 Gemeinden Norwegens, die zwischen
2013 und 2016 wegen einer ambulant erworbenen E. coli-Infektion der Harnwege von ihrem
Hausarzt mit oralem Pivmecillinam behandelt wurden. Die Patientinnen wurden in zwei
Gruppen eingeteilt: 88 Patientinnen hatten eine Infektion mit ESBL-bildenden E. coli (ESBL-Kohorte),
74 Frauen waren mit nicht ESBL-bildenden E. coli infiziert (Kontroll-Kohorte). Das
Durchschnittsalter beider Kohorten lag bei etwa 50 Jahren.
In der gesamten ESBL-Kohorte (zu 42,5% mit 3 x 200 mg/Tag und 57,5% mit 3 x 400 mg/Tag behandelt)
dauerte es median 5 Tage, in der Kontroll-Kohorte (zu 65,8% mit 3 x 200 mg/Tag und 34,2% mit
3 x 400 mg/Tag behandelt) median 3 Tage, bis die Harnwegssymptome vollständig verschwanden.
Bei 36,8% der Patientinnen in der ESBL-Kohorte und 15,3% der Kontrollen bestanden auch nach
14 Tagen noch Beschwerden, sodass eine zweite Antibiotikaverordnung erforderlich wurde.
Risikofaktoren für einen Therapiefehlschlag in der ESBL-Kohorte waren eine niedrige
Pivmecillinam-Dosis (3 x 200 mg/Tag) und eine kurze Therapiedauer (≤5 Tage). Von den
klinischen Faktoren erwies sich in der multivariaten Analyse einzig ein reduzierter
Allgemeinzustand als prädisponierender Faktor für einen Fehlschlag der Antibiotikatherapie;
keine signifikante Rolle spielten z.B. das Begleitsymptom Fieber oder ein bestehender
Diabetes mellitus.
Wurden in beiden Kohorten nur jene Patientinnen berücksichtigt, die die höhere
Pivmecillinam-Dosis erhielten, so war das Risiko einer erfolglosen Therapie für
Infektionen mit E. coli mit oder ohne ESBL-Bildung vergleichbar, und zwar unabhängig
von der Behandlungsdauer (≥5 vs. <5 Tage).
Interessant sind auch die bakteriologischen Ergebnisse. Die E. coli-Isolate der
ESBL- und der Kontroll-Kohorte waren in vitro fast durchweg (zu 97,7% bzw. 98,6%) gegen
Pivmecillinam empfindlich. Von den anderen getesteten oral verabreichbaren Antibiotika
war nur noch Nitrofurantion fast ähnlich wirksam. Dagegen waren Trimethoprim mit oder
ohne Sulfamethoxazol sowie Ciprofloxacin nur bei 38,7-56% der Isolate von ESBL-bildenden
E. coli wirksam.
Die Autoren der Studie gelangen zu dem Schluss, dass Pivmecillinam in einer Dosis
von
3 x 400 mg/Tag - verabreicht für mehr als 5 Tage - eine sinnvolle Behandlungsoption
für ambulant erworbene unkomplizierte Harnwegsinfektionen ist. Mit dieser Therapie
lassen sich bei Infektionen mit ESBL-bildenden E. coli ähnlich hohe bakteriologische
Heilungsraten erzielen wie bei nicht ESBL-bildenden E. coli-Bakterien.
Quelle: Bollestad, et al. 2018. J Antimicrob Chemother 73:2503-9
Apogepha Arzneimittel GmbH
7. Januar 2019
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