Onkologische Patienten schmerzmedizinisch unterversorgt
PraxisUmfrage Tumorschmerz ist eine online-Befragung der Deutschen Gesellschaft
für Schmerzmedizin (DGS) e.V. und der Deutschen Schmerzliga (DSL) e.V.
( www.Praxisumfrage-Tumorschmerz.de )
unter mehreren tausend Betroffenen.
„Wir haben lange Zeit geglaubt, die schmerzmedizinische Versorgung tumorkranker
Menschen sei deutlich besser als die von Menschen mit nicht-tumorbedingten
chronischen Schmerzen. Doch die Auswertung der Angabe der Betroffen decken
jetzt ernstzunehmende schmerzmedizinische Versorgungslücken auf, die alle
Beteiligten zum Umdenken motivieren sollten“, erläuterte PD Dr. med. Michael A. Überall,
Präsident der DSL, Vizepräsident der DGS und Leiter der Patientenumfrage am Rande
des Schmerzkongresses in Mannheim.
Bei Patienten mit einer Tumorerkrankung entwickeln sich im Laufe der Erkrankung
häufig Dauer- und Durchbruchschmerzen. Diese treten in Abhängigkeit von Lokalisation,
Tumorart, Tumorstadium und Metastasierungsgrad sowie individueller Disposition
und psychosozialen Faktoren auf. Bisher lagen über Häufigkeit, Charakteristik, Intensität
und Ausmaß tumorschmerz-bedingter Beeinträchtigungen sowie die medikamentöse
Versorgung zu wenige Daten vor, um die aktuelle Versorgungsituation der onkologischen
Patienten in Deutschland richtig einschätzen zu können. Dabei sei eine effektive
Schmerztherapie für die betroffenen Patienten eine wesentliche Voraussetzung, um
am alltäglichen Leben mit einer befriedigenden Lebensqualität teilhaben zu können“,
erläuterte PD Dr. med. Michael A. Überall in Mannheim.
Um Informationen über die schmerzmedizinische Versorgung und das Ausmaß
schmerzbedingter Beeinträchtigungen auf Lebensqualität und Alltag der Betroffenen
standardisiert erfassen zu können, startete die DGS gemeinsam mit der DSL Anfang
des Jahres die „PraxisUmfrage Tumorschmerz“. Bundesweit wurden Betroffene dazu
aufgerufen, unter Verwendung eines standardisierten Online-Fragebogens Auskunft
über ihre Schmerzen zu geben. Dieser basiert auf einem von der Deutschen Gesellschaft
für Schmerzmedizin entwickelten Patientenfragebogen, der bereits seit geraumer
Zeit in schmerzmedizinischen Einrichtungen genutzt wird, um darauf aufbauend
individualisierte und bedarfsorientierte schmerzmedizinische Behandlungskonzepte für
Menschen mit tumorbedingten Schmerzen erstellen zu können.
Zu geringer Einsatz von stark-wirksamen Opioidanalgetika
Die Analyse der Daten zeigt, dass ein Großteil der Befragten (n=3.707) neben
Dauerschmerzen zusätzlich unter akuten Schmerzattacken leidet. Laut Überall
könnten bei einem Drittel dieser Patienten (n=1.064) allein durch eine Optimierung
der Dauerschmerztherapie (z.B. durch eine Dosisanpassung bei zu geringer Tagesdosis,
Änderung von Einzeldosis und Dosierungsintervall bei „end-of-dose-failure“ oder
Hinzunahme einer spezifischen Therapie mit Ko-Analgetika bei neuropathischen Schmerzen),
die akuten Schmerzattacken vermieden werden. Bei den übrigen Patienten (n=2.643) wäre
aus Sicht der Schmerzmediziner eine spezifische Notfall-/Rescuetherapie sinnvoll –
diese erhält aber weniger als ein Drittel der dafür eigentlich infrage kommenden
Betroffenen (862 vs. 2.643/32,6%) mit tumorbedingten Durchbruchschmerzen. Davon
erhielten wiederum nur etwas mehr als ein Drittel (326 vs. 862/37,8%) eine Therapie
mit einem stark-wirksamen Opioidanalgetikum – dem nach Ansicht vieler Schmerzexperten
einzig sinnvollen Therapiekonzept zur Behandlung dieser speziellen Schmerzform.
Verharmlosung der Schmerzen bei Tumorerkrankung
Auch der Schmerz- und Palliativmediziner Dr. med. Johannes Horlemann, Vizepräsident
der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin und Erstautor der DGS3 PraxisLeitlinie
„Tumorschmerz“ betonte: „Trotz umfangreicher Aufklärungsmaßnahmen, widmet sich im
praktischen Alltag unverändert der Großteil der ärztlichen Bemühungen den
onkologischen Therapieansätzen, während die viele Betroffene stark beeinträchtigenden
Schmerzen als Folgeerscheinung der Tumorerkrankung verharmlost werden. Die damit
einhergehenden Einschränkungen auf die Teilhabe am alltäglichen Leben bzw. die
Lebensqualität der Patienten müssen sehr viel ernster genommen werden als wir
das aktuell erleben.“
Aus Sicht des DSL-Präsidenten Überall „sollten in der Außendarstellung onkologischer Zentren und in den entsprechenden einrichtungsspezifischen Qualitätsberichten nicht nur direkte onkologische Parameter (wie z.B. Behandlungszahlen und 5-Jahresüberlebensquoten), sondern auch indirekte Qualitätsindikatoren (wie z.B. die Patientenzufriedenheit mit der schmerzmedizinischen Versorgung) aufgeführt und veröffentlicht werden. Nur so hätten auch die Betroffenen die Möglichkeit, eine für ihre spezifische Situation und ihre individuellen Bedürfnisse passende Behandlungseinrichtung auszuwählen.“ Die Ergebnisse müssen zum Anlass genommen werden, die schmerzmedizinische Ausbildung in den beteiligten Disziplinen stärker zu fokussieren und die Bedeutung einer suffizienten, individualisierten schmerzmedizinischen Versorgung von Tumorpatienten mit Dauer- und Durchbruchschmerzen in Bezug auf Alltagsfunktionalität und Lebensqualität noch stärker zu verdeutlichen – z.B. durch spezifische Fortbildungsveranstaltungen sowie die Implementierung versorgungsrelevanter Leitlinien, wie z.B. der DGS-PraxisLeitlinien zu Tumorschmerzen und tumorbedingten Durchbruchschmerzen.
Quelle: Pressegespräch "Neue Erkenntnisse aus PraxisUmfrage Tumorschmerz –
Alarmierende Zahlen für Schmerzmediziner & Onkologen" am 12. Oktober 2017 in Mannheim
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