In Deutschland steigt die Zahl der Menschen, bei denen Medikamente zur Behandlung der Osteoporose schwere Komplikationen am Kiefer auslösen.
Mehr als eine Million Menschen in Deutschland werden mit Medikamenten behandelt, die einen
Knochenabbau im Alter, die Osteoporose, verhindern sollen. Ein zweites Einsatzgebiet dieser
Präparate sind Knochenmetastasen bei Krebspatienten. Am häufigsten kommen die Wirkstoffe
Alendronsäure, Risedronsäure, Ibandronsäure und Zoledronsäure zur Anwendung, die zu den
Bisphosphonaten gehören. Eine noch selten genutzte Alternative ist der Antikörper Denosumab,
der seit 2010 zugelassen ist.
„Die Medikamente können Knochenbrüche verhindern und bei Krebspatienten die Knochenzerstörung
bremsen. Der Nutzen von Bisphosphonaten und Denosumab steht deshalb außer Zweifel“, sagt
Prof. Dr. med. Tim Pohlemann, Präsident der DGCH. „Auch die Verträglichkeit der Medikamente
ist in der Regel gut“, fügt Professor Dr. med. Dr. med. dent. Michael Ehrenfeld hinzu,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG).
Allerdings könne eine gravierende Komplikation eintreten, die zunehmend die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen
beschäftigt.
„Es beginnt mit Schmerzen und Schwellungen im Bereich des Kieferkammes“, berichtet Ehrenfeld.
„Daraus können sich Abszesse und Fisteln bilden, aus denen Sekrete, beispielsweise Eiter,
fließen.“ Eine Röntgenaufnahme zeigt dann, dass Teile des Knochens abgestorben sind. Eine
solche Osteonekrose des Kiefers wurde erstmals 2003 als seltene Komplikation nach der
Behandlung mit Bisphosphonaten beschrieben. Die Komplikation tritt auch nach der Behandlung
mit dem Wirkstoff Denosumab auf.
Inzwischen sind die Fälle so häufig, dass einzelne Kieferkliniken, so in München, eigens
Sprechstunden für die Patienten eingerichtet haben. „Betroffen sind meistens ältere Menschen
mit Parodontose oder Infektionen der Zahnwurzeln“, sagt Ehrenfeld, der die Klinik und
Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Universität München leitet.
Die Nekrosen können auch nach Zahnextraktionen, Wurzelbehandlungen und bei Implantaten
entstehen. Weitere Risikofaktoren für die Osteonekrose sind Alkohol und Rauchen oder
eine Behandlung mit Kortison oder Zytostatika.
Die Ursache der Osteonekrose ist nicht ganz klar. „Wir vermuten, dass Entzündungen
in der Nähe des Knochens die Toxizität der Bisphosphonate erhöhen und es deshalb zum
Absterben des Knochens kommt“, erläutert DGCH-Experte Ehrenfeld. Deshalb seien akute
Infektionen oder auch mund-kiefer-gesichtschirurgische Eingriffe bei diesen Patienten
gefährlich. „Jeder Eingriff sollte unter Antibiotika-Schutz durchgeführt werden, um
eine Infektion des Knochens zu vermeiden“, rät der Münchener Chirurg.
Die Behandlung kann langwierig sein. In den Frühstadien können Mundspülungen und
Antibiotika den Knochenverfall noch stoppen. Im fortgeschrittenen Stadium werden
häufig Operationen erforderlich, bei denen abgestorbene Knochen abgetragen werden.
„In besonders schweren Fällen müssen wir Teile des Kiefers entfernen und durch ein
Transplantat ersetzen“, so der Experte.
Ehrenfeld rät allen Patienten, die mit Bisphosphonaten oder Denosumab behandelt werden, zu vorbeugenden Maßnahmen. Die Behandlung sollte erst beginnen, wenn ein Zahnarzt das Gebiss saniert hat. „Zysten, desolate Zähne, Entzündungen im Mundraum müssen vorher beseitigt werden“, fordert der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg. Während der Osteoporose-Behandlung sollten die Patienten peinlich auf eine gute Mundhygiene achten. Dies gelte auch für Menschen mit dritten Zähnen. „Denn auch eine schlecht sitzende Prothese kann über Druckstellen die Entzündung des Knochens anstoßen“, betont der Chirurg.
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)
www.dgch.de
März 2018 |
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