Die in Phase-II/III-Studien erzielten Überlebenszeiten von Patienten mit mCRC haben sich in den
letzten 15 Jahren deutlich verbessert. So können mit Chemotherapien wie FOLFIRI, FOLFOX oder
FOLFOXIRI in Kombination mit EGFR- oder VEGF-Antikörpern mediane Gesamtüberlebenszeiten um die
30 Monate erzielt werden. „Diese Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit ist multifaktoriell.
Sie ist - neben Maßnahmen wie dem multidisziplinärem Tumorboard für jeden einzelnen Patienten -
dem „Continuum of Care“, der Anwendung verschiedener zytostatischer und molekularbiologisch
gezielter Therapielinien in der richtigen Sequenz geschuldet“, berichtete Prof. Volker Heinemann,
Direktor des Comprehensive Cancer Centers CCCLMU am Klinikum Großhadern, München.
Continuum of Care bei mCRC-Patienten - schrittweise Verlängerung des Überlebens
Durch die neuen Erkenntnisse bezüglich der Tumorbiologie ist die Behandlung des mCRC komplexer
geworden. Nach den aktuellen Leitlinien der ESMO (European Society for Medical Oncology) [1] erfolgt
die Therapieentscheidung basierend auf dem RAS- und BRAF-Status der Patienten. „Die
Molekularbiologie steht bei den Patienten mit nicht klar resezierbaren Metastasen, die wir
mit dem Ziel der größtmöglichen Reduktion der Tumorlast behandeln, im Mittelpunkt der durch
die ESMO-Leitlinien vorgegebenen Entscheidungsfindung“, erklärte Heinemann. So sollen
RAS-Wildtyp-Patienten eine Kombination aus 2 Zytostatika („Chemotherapiedoublette") plus
eine anti-EGFR-Therapie erhalten und Patienten mit RAS-mutiertem Tumor eine Chemotherapiedoublette
in Kombination mit Bevacizumab. Die ESMO empfiehlt darüber hinaus auch die Testung des
BRAF-Status der Patienten, eine Maßnahme, der Heinemann noch zurückhaltend gegenüber steht.
„Nur etwa 10% der Patienten mit mCRC haben eine BRAF-Mutation. Wir wissen zwar, dass diese
Patienten die schlechteste Prognose haben, es gibt aber kaum Evidenzen zu ihrer bestmöglichen
Behandlung“. Die ESMO rät bei dieser Subgruppe der Patienten mit BRAF-Mutation zu der
aggressiven Dreifachchemotherapie FOLFOXIRI mit oder ohne Bevacizumab, um eine möglichst
frühe Reduktion der Tumorlast zu erreichen. Heinemann wies jedoch darauf hin, dass nicht
alle Patienten diese aggressive Therapie erhalten könnten - der typische Darmkrebspatient
sei um die 70 Jahre alt und weise bereits Komorbiditäten auf. Interessant sei, dass es
auch bei Patienten mit BRAF-Mutation Subtypen zu geben scheint, da auf dem ESMO World
Congress on Gastrointestinal Cancer (WCGC) 2016 auch bei einigen Subpopulationen ein
Ansprechen auf eine anti-EGFR-Therapie gezeigt worden sei [2]. In Deutschland gibt es derzeit
nur eine einzige aktive Studie für mCRC-Patienten mit BRAF-Mutation, die MODUL-Studie. Die
geringe Anzahl von in klinischen Studien behandelten mCRC-Patienten sei generell ein großes
Problem, merkte Heinemann an. „Die große Masse an Patienten mit metastasiertem kolorektalem
Karzinom in Deutschland wird nicht im Rahmen von klinischen Studien behandelt – sehr oft
aufgrund der Einschlusskriterien, mit denen der typische mCRC-Patient im klinischen
Alltag nicht erfasst wird“, erläuterte Heinemann.
Auch die Lokalisation des Primärtumors im Darm spielt eine Rolle bei der Therapieentscheidung.
So haben rechtsseitige Tumoren eine deutlich schlechtere Prognose, führte Heinemann aus.
Auch die Testung auf eine Mismatch Repair Defizienz (MRD) der Tumoren ist heute Standard.
Bei Tumoren mit einer solchen Mikrosatelliteninstabilität (MSI) kommt eine
immuntherapeutische Therapie mit PD-1-Inhibitoren in Betracht. Voraussetzung für
alle genannten Therapieoptionen sei ein ausreichender Fitnesszustand der Patienten,
der sich weniger nach dem Alter des Patienten, sondern vielmehr nach seiner
Organfunktion und Motivation bemesse, so Heinemann. „Eine frühe Reduktion der
Tumorlast und eine möglichst tiefe Remission korrelieren mit dem Gesamtüberleben.
Unser Ziel ist eine lange Krankheitskontrolle bei akzeptabler Lebensqualität für
jeden einzelnen Patienten.“
Therapie um einen weiteren Schritt verlängern
„Was können wir für unsere mCRC-Patienten tun, wenn sie bereits viele Therapielinien
durchlaufen haben, die Patienten aber in gutem Allgemeinzustand und motiviert sind,
eine rein palliative Therapie mit „Best Supportive Care“ für sie also nicht in Frage
kommt? – In dieser Situation bietet uns LONSURF® eine neue Option“, konstatierte
Prof. Meinolf Karthaus, Chefarzt des Tumorzentrums München Süd am Klinikum Harlaching
und Neuperlach. Dabei ermögliche die Wirkstoffkombination Trifluridin/Tipiracil den
neuen Wirkmechanismus des oralen Zytostatikums. „Die chemische Struktur ist innovativ,
Tipiracil bremst den Abbau des antineoplastischen Trifluridin durch die Thymidin-Phosphorylase (TP)“,
erklärte Karthaus. Für Trifluridin/Tipiracil wurde auch bei 5-FU-resistenten
kolorektalen Tumorzelllinien eine Antitumoraktivität nachgewiesen [3]. Die zytotoxische
Aktivität von LONSURF® beruht auf dem Einbau von Trifluridin in die DNA, was zu einer
langfristigen Hemmung des Tumorwachstums führt, wie präklinische Daten am
Xenograft-Mausmodell gezeigt haben [4].
Verlängerung des Gesamtüberlebens bei vorbehandelten Patienten
Phase-II-Daten einer japanischen, doppelblinden und Placebo-kontrollierten Studie,
die Trifluridin/Tipiracil in Kombination mit Best Supportive Care (BSC) bei 172 Patienten
mit vorbehandeltem mCRC untersuchte, waren vielversprechend [5]. Im Vergleich zu Placebo
reduzierte Trifluridin/Tipiracil das Sterberisiko der Patienten, verbesserte signifikant
das progressionsfreie Überleben, erhöhte die Rate der Patienten mit einer Krankheitskontrolle
im Vergleich zu Placebo und verlängerte das mediane Gesamtüberleben von 6,6 auf
9,0 Monate (p=0,0011).
Zulassungsrelevant für LONSURF® waren die Daten der Phase-III-Studie RECOURSE [6]. Primärer
Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben, basierend auf der "intent-to-treat" (ITT)
Population. Ziel war eine 25%-ige Reduktion des Sterberisikos. Die Patienten mussten
mindestens zwei Standardchemotherapien erhalten und innerhalb von sechs Monaten ein
Rezidiv oder innerhalb von drei Monaten einen Krankheitsprogress erlitten haben.
„Auch in dieser Studie mussten die Patienten fit sein, mit einem ECOG-Status von 0 bis 1
und sie waren jünger als unsere Durchschnittspatienten“, kommentierte Karthaus. Die
Patienten erhielten BSC und entweder zweimal täglich Trifluridin/Tipiracil (35 mg/m2)
oder Placebo an fünf aufeinanderfolgenden Tagen mit zwei Tagen Pause für zwei Wochen.
Diese Behandlung wurde alle vier Wochen wiederholt. Die radiologische Untersuchung des
Tumors zur Beurteilung des Ansprechens erfolgte alle acht Wochen. Alle 800 randomisierten
Patienten hatten zuvor eine Fluoropyrimidin-, Oxaliplatin- bzw. Irinotecan-basierte
Chemotherapie sowie Bevacizumab erhalten, Patienten mit KRAS-Wildtyp bekamen Cetuximab
oder Panitumumab. Der primäre Endpunkt der Studie wurde erreicht: Im Trifluridin/Tipiracil-Arm
war das mediane Gesamtüberleben um 1,8 Monate von 5,3 auf 7,1 Monate verlängert. Dies
entsprach einer statistisch signifikanten Reduktion des Sterberisikos um 32% (HR 0,68; p<0,001).
RECOURSE-Studie: Finale Analyse bestätigt Vorteil für Trifluridin/Tipiracil
Erhebungsdatum für die im New England Journal publizierten Daten [6] war Januar 2014. Beim
Gastrointestinal Cancers Symposium der ASCO wurde im Januar 2016 eine Follow-Up-Analyse
des Gesamtüberlebens mit den Daten bis Oktober 2014 präsentiert [7]. 89% der
Patienten waren bis zu diesem Zeitpunkt verstorben. „Hier sollte man bedenken,
dass es sich um eine last line-Therapie handelt – diese Patienten versterben an
ihrer Erkrankung“, kommentierte Karthaus. Das mediane Gesamtüberleben unter Trifluridin/Tipiracil
hatte sich in dieser finalen Analyse der Überlebensdaten noch einmal leicht verbessert
und lag bei 7,2 Monaten gegenüber 5,2 Monaten im Placebo-Arm. Die 1-Jahres-Überlebensrate
verbesserte sich absolut um 10,5%.
„Das Nebenwirkungsprofil von Trifluridin/Tipiracil ist gut beherrschbar“, berichtete
Karthaus weiter. „Unterschiede zur reinen Best Supportive Care wurden in der RECOURSE-Studie
neben gastrointestinalen Ereignissen vor allem bei den Laborbefunden sichtbar, also bei den
hämatologischen Ereignissen. Hinsichtlich der subjektiv belastenden Nebenwirkungen ist
Trifluridin/Tipiracil sehr gut verträglich“. Karthaus wies auch darauf hin, dass sich
unter der Therapie mit Trifluridin/Tipiracil länger ein guter Allgemeinzustand der Patienten
erhalten ließ als unter der reinen BSC.
LONSURF® war in Deutschland vor der Markteinführung bereits im Rahmen eines Arzneimittel-Härtefallprogramms (Compassionate Use Program) verfügbar, in das auch Karthaus Patienten eingebracht hat. „Die gute Verträglichkeit aus den klinischen Studien fanden wir in der Praxis bestätigt“, berichtete Karthaus. Derzeit wird LONSURF® in verschieden klinischen Studien in früheren Therapielinien und verschiedenen Kombination mit anderen Zytostatika und Bevacizumab beim CRC und auch beim Magenkarzinom weiterentwickelt. Karthaus und Heinemann betonten außerdem die Wichtigkeit von Post-Zulassungsstudien, da klinische Studien nicht die Alltagspatienten abbildeten. SERVIER bemüht sich derzeit, solche Studien zur Erhebung der Lebensqualität mit Trifluridin/Tipiracil auf den Weg zu bringen.
Mascha Pömmerl, Feldkirchen-Westerham
Literatur:
Quelle: Pressekonferenz zur Einführung von Lonsurf® am 14. September 2016 in München. Veranstalter: Servier Deutschland
[1] Van Cutsem E et al. ESMO consensus guidelines for the management of patients with
metastatic colorectal cancer. Ann Oncol 2016;27:1386-1422
[2] Stintzing S et al. BRAF mutant and RAS mutant patients treated with FOLFIRI plus
Bevacizumab or FOLFIRI plus Cetuximab. Role of ETS and molecular markers in FIRE-3 (AIO KRK-0306).
Ann Oncol 2016;27 (Supplement 2):iii112 (PD027)
[3] Emura T et al. A novel combination antimetabolite, TAS-102, exhibits antitumor activity
in FU-resistant human cancer cells through a mechanism involving FTD incorporation in DNA. Int J Oncol 2004;25:571-578
[4] Tanaka N,et al. Repeated oral dosing of TAS-102 confers high trifluridine incorporation
into DNA and sustained antitumor activity in mouse models. Oncol Rep 2014;32:2319-2326
[5] Yoshino T, et al. TAS-102 monotherapy for pretreated metastatic colorectal cancer:
a double-blind, randomised, placebo-controlled phase 2 trial. Lancet Oncol 2012;13:993-1001
[6] Mayer R, et al. Randomized trial of TAS-102 for refractory metastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2015;372:1909-19
[7] Mayer et al. TAS-102 versus placebo plus best supportive care in patients with
metastatic colorectal cancer refractory to standard therapies: Final survival results of
the phase III RECOURSE trial. J Clin Oncol 2016; 34 (suppl 4S;abstr. 634)
Oktober 2016
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