Bei den 40- bis 79-Jährigen sind etwa zwei bis fünf Prozent der Männer vom altersbedingten
Hypogonadismus betroffen. Besonders häufig zeigt sich der Hormonmangel in Zusammenhang mit
Übergewicht und einem schlechten Gesundheitszustand. Aber auch Grunderkrankungen wie das
metabolische Syndrom und Diabetes mellitus wirken sich negativ auf den Testosteronspiegel
aus. Zu den Leitbeschwerden, mit denen Männer die urologische Praxis aufsuchen, zählen
Erektionsstörungen und Libidoverlust. Weitere Folgen des Androgendefizits sind Schlafstörungen,
Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten.
„Die betroffenen Männer fühlen sich nicht mehr leistungsfähig. Sogar Depressionen
können einen Hypogonadismus begleiten“, weiß Prof. Kliesch. Häufig zeigt sich zudem
eine Abnahme der Muskelmasse bei gleichzeitiger Zunahme des gesundheitskritischen
viszeralen Bauchfetts. Hinzu kommt, dass ein zu niedriger Testosteronspiegel andere
Stoffwechselprozesse negativ beeinflusst. Langfristig leidet das Blutbild und der
Knochenstoffwechsel, Übergewicht sowie eine Störung des Zuckerhaushalts werden
begünstigt. „Es ist ein Kreislauf: Zum einen fördert ein zu niedriger Testosteronspiegel
die Entstehung von Stoffwechselkrankheiten. Zum anderen verstärken bereits bestehende
Stoffwechselerkrankungen den Testosteronmangel. Hypogonadismus stellt für die Gesundheit
des Mannes daher ein gewisses Risiko dar“, erklärt Prof. Kliesch. Die Urologin und
Andrologin empfiehlt Kollegen, bei Patienten mit Beschwerden genau
hinzuschauen und bei einem klinischen Verdacht auf einen Hypogonadismus die
Testosteronwerte zu untersuchen.
Bei Symptomen und klinischem Verdacht ist der Hormontest eine Kassenleistung.
Die endokrinologische Diagnostik erfasst dabei nicht nur die Bestimmung des Testosteronspiegels.
Auch die Gonadotropine, das sexualhormonbindende Globulin (SHBG), Prolaktin sowie der
PSA-Wert sind relevant. Kontraindikationen wie ein Prostatakarzinom müssen bei der
Diagnostik ausgeschlossen werden. „Testosteronwerte zwischen 8 und 12 nmol/l sollten
genauer kontrolliert werden“, sagt Prof. Kliesch. Bestimmungen des Blutbildes und der
Blutfette schließen sich ebenso an wie die Messung der Knochendichte. Die genannten
Parameter müssen auch im Verlauf einer Substitutionstherapie kontrolliert werden.
Wichtig ist zudem, dass der Urologe im Zuge der Hormontherapie den Kontakt zu anderen
Disziplinen etwa dem Hausarzt, dem Kardiologen und dem Diabetologen sucht, um dem
Patienten eine bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen. Die Reduzierung gesundheitlicher
Risiken, die in einem ungesunden Lebensstil begründet liegen und die Behandlung von
Begleiterkrankungen sind gegebenenfalls wichtiger als die reine Testosteronersatztherapie.
„Die Hormontherapie ist kein Allheilmittel. Allerdings kann die Gabe von Testosterongelen
oder Depotspritzen die Gesundheit und das Wohlbefinden des Patienten deutlich unterstützen“,
erklärt Prof. Kliesch. „In dem Moment, in dem ich den Stoffwechselhaushalt auf hormoneller
Seite wieder in Ordnung bringe, lassen sich auch andere gesundheitskritische Werte wie ein
zu hoher Blutzucker besser behandeln“, betont die Urologin und ergänzt: „Studien haben
gezeigt, dass ein Diabetiker, der begleitend unter einem unbehandelten Hypogonadismus
leidet, früher stirbt, als ein Diabetiker mit einem behandelten Testosteronmangel.“
Ganz aktuell weist eine US-amerikanische Studie zudem auf kardiovakuläre Vorteile
einer Testosteronersatztherapie hin. Anders als bisher diskutiert, senkt demnach die
Normalisierung der Testosteronwerte bei Männern ohne vorhergehende kardiovaskuläre
Ereignisse das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle und vermindert die Gesamtsterblichkeit.
Vor Beginn der Substitutionstherapie ist es von großer Wichtigkeit, den Patienten über den Nutzen der Hormone, aber auch über Nebenwirkungen wie mögliche Auswirkungen auf die Prostata oder die Fruchtbarkeit aufzuklären. „Diagnostik und Behandlung nach den Leitlinien der European Association of Urology (EAU) gewähren auch für den älteren Mann einen verantwortungsvollen Umgang mit der Hormonersatztherapie, die bei Patienten mit einem entsprechenden Beschwerdebild, bei nachgewiesenem Hypogonadismus, nach Aufklärung und Risikoabklärung sowie mit begleitenden Verlaufskontrollen zum Tragen kommen kann“, sagt Prof. Dr. Oliver Hakenberg, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V., die die jüngste Medienkritik am Einsatz der Testosteronersatztherapie ausdrücklich zurückweist.
August 2016 |
© 2003-2025 pro-anima medizin medien
–
impressum
–
mediadaten
–
konzeption
–
datenschutz