Tatsächlich ist die Nykturie die häufigste Ursache von Schlafstörungen, aus denen wiederum
Risiken für Gesundheit und Lebenserwartung der Betroffenen resultieren. Anders als vielfach
angenommen, sind Männer wie Frauen gleichermaßen betroffen. Zuverlässige aktuelle Zahlen zur
Häufigkeit gibt es nicht, nach älteren Studien leiden aber mehr als 60 Prozent aller Menschen
von 70 und mehr Jahren an einer behandlungsbedürftigen Nykturie, die die Betroffenen zwei Mal
oder öfter pro Nacht zum Wasserlassen treibt. Fortgeschrittenes Alter ist zwar ein wesentlicher
Faktor für Nykturie, bewahrt aber jüngere Menschen nicht davor. In der Altersgruppe der 20- bis
40-Jährigen ist etwa jeder fünfte bis sechste betroffen - hier öfter Frauen als Männer.
„Nykturie ist keine eigenständige chronische Erkrankung, sondern Symptom anderer körperlicher
Störungen. Unterschiedliche Ursachen kommen für den Drang zum nächtlichen Wasserlassen in
Betracht, die zunächst im Bereich der Urinproduktion sowie im System der Speicherung und
Ableitung des Harns zu suchen sind“, sagt Prof. Dr. Stephan Roth. Bei zahlreichen Nykturie-Patienten
liegt eine nächtliche Polyurie vor. Sie scheiden nachts mehr als den sonst üblichen Anteil der
24-Stunden-Urinmenge aus, der für jüngere Menschen bis 20 Prozent, jenseits der 65 bis
33 Prozent liegen sollte. Bei anderen Patienten wird eine reduzierte Kapazität der Harnblase
festgestellt, die zur häufigeren Entleerung kleinerer Mengen nötigt. Besonders bei älteren
Menschen fallen oft mehrere Faktoren zusammen, die für eine Nykturie ursächlich sein können:
Dazu gehören die sinkende Fähigkeit, Urin zu halten, erhöhte Restharnvolumina, Veränderungen
am Detrusormuskel, niedrige Konzentration des Antidiuretischen Hormons (ADH), chronische
Infekte der unteren Harnwege, überaktive Blase und bei Männern auch eine vergrößerte Prostata.
„Bei einer Polyurie“, so der Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum
Wuppertal weiter, „ist es notwendig, die Ursachen der erhöhten nächtlichen Urinproduktion abzuklären“.
Infrage kommen, laut Roth, eine Herzinsuffizienz, für die ein Übermaß an auszuscheidendem Gewebewasser
ein Indiz wäre; auch ein Diabetes, ein erhöhter systolischer Blutdruck oder Störungen der
Nierenfunktion können sich, ebenso wie Medikamente, auf die Urinproduktion auswirken.
Schnarchen, das mehr als die Hälfte aller Männer betrifft, und nächtliche Atemaussetzer (Schlafapnoe)
sind eng verbunden mit der Nykturie, die sogar als ein Leitsymptom des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms
gilt. Wird diese gefährliche Schlafstörung effektiv behandelt, so bessert sich auch der Drang zum
nächtlichen Wasserlassen. Als weiterer Risikofaktor für Nykturie wird Übergewicht betrachtet.
Die Folgen der Nykturie können schwerwiegend sein: Schlafstörungen führen oft zu Tagesmüdigkeit,
Konzentrationsschwächen, Verminderung der geistigen Leistung und Kopfschmerzen. In manchen Fällen
können Depressionen die Folge sein. Dänische Forscher ermittelten, dass Nykturie die Arbeitsproduktivität
um bis 24 Prozent senken kann. Besonders ältere Menschen haben erhöhte Risiken für Stürze und
Knochenbrüche. Für herzkranke Patienten wird bei gleichzeitiger Nykturie von einem erhöhten
Mortalitätsrisiko ausgegangen.
„Angesichts des hohen Leidensdrucks, möglicher Komplikationen und der zum Teil schwerwiegenden ursächlichen Erkrankungen wird die Notwendigkeit zur gründlichen medizinischen Abklärung einer Nykturie deutlich“, resümiert DGU-Präsident Prof. Dr. Kurt Miller und lädt die Medienvertreter ein, sich auf dem 68. DGU-Kongress in Leipzig über das unterschätzte Volksleiden zu informieren.
Juli 2016 |
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