Die Harnröhrenstriktur beim Mann ist eine Erkrankung unterschiedlicher Genese. Die Angaben zur Inzidenz und Prävalenz
sind bei nicht standardisierter Erhebung sehr variabel. Es wird aber mit ca. 30.000 Behandlungen jährlich gerechnet.
Harnröhrenstrikturen sind narbige Verengungen der Urethra, die unabhängig von der anatomischen Lokalisation zur obstruktiven
und/oder irritativen Miktionsbeschwerden führen können. Die Auswirkungen für die Betroffenen können von leichter Beeinträchtigung
der Lebensqualität bis zu Folgeschäden am gesamten Harntrakt mit der Blasen- bzw. der Nierenfunktion führen.
Ätiologie
Die Harnröhrenstriktur ist bedingt durch eine narbige Umwandlung der Urethra. Pathogenetisch sind dafür zwei Faktoren verantwortlich.
Einerseits eine Schleimhautläsion mit lokaler Infektion, die später auf das Corpus spongiosum übergreifen kann und anderseits
der folgende Heilungsprozess mit Narbenbildung. Es entsteht eine sogenannte Spongiofibrose. Je ausgeprägter die Narbenbildung
ist, desto gravierender ist die Striktur. Davon werden proximale Strikturen, die durch Fibrosen nach traumatischen
Harnröhrenabrissen entstehen, unterschieden. Eine besondere Entität stellen die distalen Engen dar, die durch nichtinfektiöse
entzündliche Prozesse im Rahmen einer Balanitis xerotica obliterans (Lichen sclerous) entstehen können.
Bei komplexen Strikturen oder in der Rezidivsituation kommen offen rekonstruktive Verfahren zum Einsatz. In unserer Klink werden solche Eingriffe u.a. sekundär bei Z.n. zweimalig endoskopischer Urethrotomie und primär bei den sogenannten Hochrisikopatienten durchgeführt. Hochrisikopatienten sind durch eine langstreckige Striktur über 5 cm, peniler oder membranöser Lokalisation mit ausgeprägter Spongiofibrose charakterisiert. Die Entscheidung zu einem ein- oder mehrzeitigen rekonstruktiven Verfahren wird anhand der Strikturlänge, der Weite des Restlumens und dem Ausmaß der Spongio-fibrose getroffen.
Kurzstreckige bulbäre Strikturen <2 cm werden über einen perinealen Zugang freipräpariert und reseziert. Dann wird die Kontinuität der locker aneinander approximierten beiden Urethraenden durch eine End-zu-End-Anastomose wiederhergestellt. Die Langzeiterfolgsraten werden in der Literatur mit bis zu 90% angegeben.
Längere Strikturen bedürfen einer Graft-Urethroplastik. Wegen der einfacheren Verfügbarkeit und der geringen Komplikationsrate ist das freie Mundschleimhauttransplantat das am meisten verwendete freie Graft. Zahlreiche andere körpereigene biologische Materialien (Vorhaut, Haut vom Oberschenkel, Blasenschleimhaut, Kolonschleimhaut) werden in speziellen Fällen verwendet. Zum Ersatz ausgedehnter Harnröhrendefekte steht seit kurzem als neues Verfahren das Tissue Engineering zur Verfügung. Hierbei wird in speziellen Laboratorien biologisches Gewebe durch die gerichtete Kultivierung von Zellen hergestellt, um damit krankes Gewebe zu ersetzen oder zu regenerieren. Um die Effektivität und Sicherheit dieser Technik zu beurteilen, fehlen allerdings bislang Langzeitdaten.
In unserer Klinik favorisieren wir prinzipiell die Verwendung des freien Mundschleimhauttransplantats. Hierbei wird die
Harnröhre im Bereich der Striktur komplett mobilisiert und von den Corpora cavernosa abpräpariert (Abb. 2).
Es folgt die Eröffnung der Urethra über die gesamte Länge der Striktur in Längsrichtung (Abb. 3).
Anschließend werden die entnommenen Mundschleimhautstreifen (Graft) zur plastischen Erweiterung des entstandenen
Defekts eingenäht (Abb. 4). Ein zweizeitiges Vorgehen wird bei uns nur bei speziellen Fällen wie
komplizierte Strikturen, die die gesamte Länge der Harnröhre betreffen, durchgeführt. Erforderlich sind hierfür
zwei Operationen im Abstand von einigen Monaten. In der ersten Sitzung wird über einen penilen oder perinealen Zugang
die Harnröhre über die komplette Länge der Striktur longitudinal eröffnet und mittels eines Spalthauttransplantates gedeckt.
Nach Abschluss der Heilungsphase – die in der Regel drei bis sechs Monate dauert – erfolgt die zweite Sitzung.
Dazu wird das eingeheilte Transplantat beidseits abpräpariert, nach lateral bis auf die Corpora cavernosa mobilisiert
und eine Neo-urethra über einen Katheter longitudinal (Tubularisierungsverfahren) geformt. In der Literatur ist nachzulesen,
dass die Rezidivrate bei einzeitigen Verfahren zwischen 8% und 19% schwankt, wobei die Rezidivrate bei Strikturen,
die länger als 5 cm sind, im Vergleich zu kürzeren signifikant höher ist (17% vs. 12%). Männer, die älter als 65 Jahre sind,
haben nach offener Harnröhrenplastik gleichwertig gute Ergebnisse wie jüngere Patienten. Das Patientenalter stellt
somit keine Rechtfertigung für prolongierte endoskopische Eingriffe, die mit den häufigsten Rezidiven behaftet sind, dar.
Bei der Technik der zweizeitigen Harnröhrenplastik ist mit einer 45 %igen Rezidivrate zu rechnen.
Um optimale Ergebnisse zu erzielen, sollen solche Verfahren nur in speziellen Zentren mit ausreichender Erfahrung durchgeführt werden.
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