Mit der radikalen Prostatektomie wird das Ziel einer kurativen Behandlung durch vollständiges Entfernen des Tumors aus gesundem Gewebe angestrebt. Die operative Behandlung ist deshalb insbesondere bei Tumoren geeignet, die sich sehr wahrscheinlich restlos entfernen lassen. Das Qualitätsmerkmal hierfür sind tumorfreie d. h. negative Schnittränder. Gelingt das nicht entsteht durch die resultierenden positiven Schnittränder eine Grauzone zwischen organbegrenztem und organüberschreitendem Tumor. Dessen prognostische Relevanz wird aufgrund des Zusammenhangs mit biochemischem Rezidiv durchweg als nachteiliges onkologisches Ergebnis gewertet [1]. In den letzten Jahren haben sich die Modalitäten und das Aufkommen der radikalen Prostatektomie erheblich gewandelt und führen zu differenzierterer onkologischer Bewertung positiver Schnittränder [2]. In diese Richtung zielt auch die Einbeziehung verschiedener Variabler positiver Schnittränder wie Lokalisation, Ausdehnung, Tumorgrad und knapper Resektionsrand in die Bewertung als pathologischer Risikofaktor nach radikaler Prostatektomie [3].
Als iatrogene Ursache für positive Schnittränder kommt in erster Linie das nicht beabsichtigte Einschneiden in einen intrapros-tatischen Tumor in Frage (pT2+). Solche „Ausrutscher“ Bereich der neurovaskulären Bündel lassen sich im in erster Linie auf das Bemühen zurückführen, dem Patienten die erektile Funktionsfähigkeit bewahren zu wollen. Aber die Krebszellen erreichen unmittelbar die im Präparat durch Tinte markierte Schnittfläche, und es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass residuelle Tumorzellen in situ verblieben sind. Eine weitere Möglichkeit für iatrogen verursachte Schnittränder wäre der Schnitt durch einen Bereich mit extraprostatischer Ausbreitung des Tumors. Um das zu vermeiden, blieben dem Chirurgen nur noch minimale Spielräume, um den Tumor durch erweitertes Ausschneiden komplett zu entfernen. Denn hat der Tumor die Kapsel bereits durchbrochen, sind positive Schnittränder kaum zu vermeiden und nicht iatrogen, da mit weitergehender Exzision des Tumors das Risiko nicht tolerierbarer Morbidität verbunden wäre.
Der Schnittrand-Status kann durch die Operationstechnik, Patientencharakteristika und Methoden der pathologischen Beurteilung beeinflusst werden. Diesbezüglich wurden die Inzidenz und die Lokalisation positiver Schnittränder bei 200 Roboter-assistierten laparoskopischen radikalen Prostatektomien und 200 retropubischen radikalen Prostatektomien bewertet. Bei ersterer Operationstechnik waren positive Schnittränder signifikant seltener als bei der offenen Operation (15% vs. 35%, p <0,001). Nach pathologischem Stadium stratifiziert war die Inzidenz positiver Schnittränder bei pT2-Tumoren und Roboter-assistierter gegenüber retropubischer radikaler Prostatektomie 9,4% bzw. 24,1% (p <0,001) und bei pT3-Tumoren 50% bzw. 60% [5].
Die Resultate eines systematischen Reviews und einer Metaanalyse aller erreichbarer Peer-reviewed Beobachtungsstudien zur Rate positiver Schnittränder nach offener, laparoskopischer und Roboter-assistierter Prostatektomie ergaben keine signifikanten Unterschiede bei den Operationstechniken. In der Propensity-Score-Analyse hatte die Gruppe mit laparoskopischer radikaler Prostatektomie eine höhere Rate an positiven Schnitträndern als die Roboter-assistierte Methode aber eine ähnliche Rate wie bei der offenen Chirurgie. Mit der Metaanalyse wird gezeigt, dass die Roboter-assistierte Operation der offenen und laparoskopischen Technik hinsichtlich positiver Schnittränder zumindest ebenbürtig ist [6].
In einem systematischen Review wurde die Datenlage zur Häufigkeit positiver Schnittränder bei Roboter-assistierter radikaler Prostatektomie in Fällen zusammengestellt, die als mit speziellen Schwierigkeiten behaftet eingestuft woden waren. Dabei wurden Patienten mit hohem Body Mass Index, großem Prostatavolumen, mit zuvor stattgehabter Bauchchirurgie, vorausgegangener operativer Behandlung einer benignen Prostatahyperplasie und Patienten mit Prostatamittellappen berücksichtigt. Die gepoolten Ergebnisse aus neun Studien lassen bei diesen Patienten in keinem Fall ein erhöhtes Risiko für positive Schnittränder erkennen. Bemerkenswerterweise war das Risiko für positive Schnittränder bei Patienten mit großer Prostata sogar verringert [7].
Sowohl bei Roboter-assistierten laparoskopischen radikalen Prostatektomien als auch bei retropubischen radikalen Prostatektomien war der Apex mit 52% bzw. 37% die häufigste Lokalisation positiver Schnittränder [5]. Am anterioren Rand werden positive Schnittränder hauptsächlich bei den relativ seltenen Tumoren der Übergangszone sowie selten auch den T1c-Tumoren registriert. Im Vergleich dazu ist der Apex bei Prostatakrebs im Stadium T2 sowie bei T1c-Tumoren die Prädilektionsstelle für positive Schnittränder.
Die Beeinflussung der Lokalisation positiver Schnittränder durch das pathologische Stadium wurde
an einer Fallserie mit 180 Prostatakrebs-Patienten (pT3bN0-1) beobachtet [9].
In dieser Kohorte mit Involvierung der Samenbläschen betrug der Anteil Patienten mit positiven
Schnitträndern 41%. Sie betrafen zu 57% einen peripheren Abschnitt und zu 32% den Apex.
In einer Serie Roboter-assistierter radikaler Prostatektomien waren 189/893 (21%) Fälle mit positiven Schnitträndern – davon 81 >3 mm lang oder multifokal. Patienten mit positiven >3 mm/multifokalen Schnitträndern hatten hinsichtlich biochemischer Rezidive ein ungünstigeres Ergebnis als bei positiven Schnitträndern mit einer Länge 3 mm. Positive >3 mm/multifokale Schnittränder waren bei pT2- nicht aber bei pT3-Tumoren ein signifikanter Prädiktor für biochemisches Rezidiv. Kürzere positive Schnittränder hatten in beiden Stadien keinen prädiktiven Wert für biochemisches Rezidiv (Abb. 1) [10].
An der John Hopkins Klinik, Baltimore, MD, USA, dokumentieren Pathologen seit 2010 routinemäßig den Gleason-Grad an positiven Schnitträndern. Daraus standen für eine aktuelle Analyse Daten von 405 Patienten mit einem Gleason 7-Tumor und positiven Schnitträndern zur Verfügung. In 56% der Fälle war der Gleason-Grad am Schnittrand niedriger als in der definitiven pathologischen Diagnose des Primärtumors. Dabei war die Wahrscheinlichkeit eines niedrigeren Gleason-Grades am Schnittrand umso geringer, je aggressiver der Prostatakrebs war (66% bei GS 3+4, 55% bei GS 4+3, 45% bei GS 8 und 39% bei GS 9-10). Kaplan-Meier-Bestimmungen ergaben signifikant erhöhte Raten an biochemischer Rezidivfreiheit bei Patienten mit einem niedrigeren Gleason-Score am Schnittrand als in der pathologischen Enddiagnose des Primärtumors [12]. Dass der Gleason-Grad an positiven Schnitträndern nicht nur ein Prädiktor für biochemisches Rezidiv sondern auch für Prostatakrebs-spezifisches Überleben ist, wurde bei Patienten mit dem Gleason-Grad 4 am positiven Schnittrand ermittelt. Diese Patienten mit Gleason-7-Prostatakrebs hatten ein signifikant verschlechtertes 15-Jahre progressionsfreies und Prostatakrebs-spezifisches Überleben [13].
In einer Kohorte mit 1.588 Prostatakrebs-Patienten, die mit radikaler Prostatektomie behandelt worden waren, hatten Männer mit sehr knappem Resektionsrand (<0,1 mm) im Vergleich zu jenen mit negativen Schnitträndern ein signifikant höheres Rezidivrisiko. Ihr Risiko unterschied sich nicht von dem bei Patienten mit positiven Schnitträndern, so dass auch mit diesen Patienten eine adjuvante Therapie besprochen werden sollte [19].
Die 3-Jahresrate an biochemischer Rezidivfreiheit war in einer Serie mit 609 radikalen Prostatektomien bei den Patienten mit knappem Resektionsrand gleich hoch wie bei den Patienten mit positiven Schnitträndern (Abb. 2) [20]. Diesbezüglich wird darauf hingewirkt, knappe Resektionsränder <1 mm ausdrücklich im Pathologiebericht zu vermerken. Betroffene Patienten sind klare Kandidaten für die adjuvante Therapie und sollten engmaschig nachverfolgt werden.
Der Einfluss positiver Schnittränder auf das Prostatakrebs-spezifische Überleben wurde retrospektiv in einer Kohorte mit 4.461 Männern analysiert, die sich zwischen 1982 und 2011 bei demselben Chirurgen einer radikalen Prostatektomie unterzogen hatten [21]. Da routinemäßig keine adjuvante Therapie erfolgt war, bot sich die Möglichkeit, die langfristigen Auswirkungen positiver Schnittränder unbeeinflusst zu analysieren. In der Kaplan-Meier-Schätzung war das Prostatakrebs-spezifische Überleben bei Patienten mit positiven Schnitträndern (n=462) gegenüber dem bei denen mit negativen Schnitträndern deutlich kürzer (Abb. 3). In der multivariaten Analyse hatten positive Schnittränder zwar einen statistisch signifikanten negativen Effekt auf das Prostatakrebs-spezifische Überleben, doch der Gleason-Score und das pathologische Stadium waren aussagekräftigere Prädiktoren [21].
Der Frage, inwieweit positive Schnittränder bei der radikalen Prostatektomie eine Rolle für die
Prostatakrebs-spezifische Mortalität spielen, widmete sich insbesondere eine große amerikanische Studie
auf Bevölkerungsebene [22]. Für die Analyse wurde eine Patientenkohorte aus der
Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER)-Datenbank identifiziert. Sie umfasste 65.633 Prostatakrebspatienten,
die sich in den Jahren 1998 bis 2006 einer radikalen Prostatektomie unterzogen hatten und median
50 Monate (1 bis 107 Monate) nachverfolgt werden konnten. In 21,2% der Fälle waren positive Schnittränder
registriert worden. Insgesamt 291 (0,5%) der Männer starben an Prostatakrebs. Die kumulierte
Prostatakrebs-spezifische Mortalität war im Studienzeitraum bei den Patienten mit positiven Schnitträndern
größer als bei denen mit negativen Schnitträndern (0,86% versus 0,33%; p<0,001). Stratifiziert nach
Tumorstadium und Schnittrand-Status waren positive Schnittränder bei Patienten mit pT2-Krankheit signifikant
mit höherem Risiko für Prostatakrebs-spezifische Mortalität assoziiert (Abb. 4) [22].
In einer Reihe größerer Studien – European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) Study 22911 [23], Southwest Oncology Group (SWOG) Study 8794 [24], German Cancer Society (ARO 96-02) [25] – war bei Männern mit pathologisch fortgeschrittenem Prostatakrebs, die sich einer adjuvanten Strahlentherapie unterziehen, übereinstimmend eine deutliche Verringerung des biochemischen Rezidivrisikos ermittelt worden. Allein in SWOG 8794 wurde ein Zusammenhang mit Metastasenfreiheit und Überleben berichtet. Die in EORTC 22911 zunächst festgestellten Benefite hinsichtlich klinisch progressionsfreiem Überleben ließen sich bei einem Follow-up von median 10,6 Jahren nicht aufrechterhalten [26].
In einer retrospektiven Analyse des biochemisch rezidivfreien Überlebens nach adjuvanter Strahlentherapie im Vergleich zu Beobachtung und rezidivbedingter früher Salvage-Strahlentherapie bei Patienten mit pT3-, pN0-, R0–R1-Prostatakarzinom wurde geschlossen, dass sich der Krebs mit beiden Strategien vergleichbar gut kontrollieren lässt [27].
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