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Die permanente interstitielle Strahlentherapie des lokalisierten Prostatakarzinoms mit Seeds
Die permanente interstitielle Brachytherapie mit Jod-125 oder Palladium-103 gehört zu den etablierten und leitlinienempfohlenen Therapieformen des lokalisierten Prostatakarzinoms. In der Gruppe der Patienten mit Prostatakarzinomen mit niedrigem Risikoprofil zeigt diese Therapiemodalität auch im Langzeitvergleich Tumorkontrollraten, die denen der externen Bestrahlung oder der radikalen Prostatovesikulektomie entsprechen. Die interstitielle Brachytherapie wird weltweit mit jährlich steigenden Behandlungszahlen eingesetzt. Ursächlich für diesen Trend sind die für viele Patienten attraktiven Konditionen der Therapiedurchführung (ambulanter, einmaliger Eingriff), die kurze Rekonvaleszenzphase und die vergleichsweise geringen Langzeitmorbiditäten. Die nächsten Jahre werden darüber Aufschluss geben, welchen Stellenwert die interstitielle Brachytherapie im Rahmen von multimodalen Behandlungskonzepten bei Patienten mit Prostatakarzinomen des mittleren und hohen Risikoprofils hat. Perspektivisch wird der Stellenwert der interstitiellen Brachytherapie im Hinblick auf fokale Therapieansätze zu beobachten sein, da es sich bei der Methodik um einen reproduzierbaren und sicheren Eingriff zur partiellen Ablation von tumorösem Prostatagewebe zu handeln scheint [48].

Das Prostatakarzinom ist zurzeit das Malignom bei Männern der westlichen Welt mit der höchsten Inzidenz und der zweithöchsten tumorbedingten Mortalität [1]. So hat inzwischen auch in Deutschland seit 1998 das Prostatakarzinom die höchste Inzidenz aller malignen Erkrankungen des Mannes. Die jüngsten epidemiologischen Daten zeigen, dass u.a. durch den vermehrten Einsatz des prostataspezifischen Antigens (PSA) bei der Früherkennung und beim Screening zunehmend jüngere Patienten mit gut differenzierten und lokalisierten Tumoren des niedrigen und intermediären Risikotyps detektiert werden. Gerade für diese zunehmend größer werdende Gruppe von erkrankten Männern steht mit der interstitiellen Brachytherapie ein Verfahren zur Verfügung, das eine effiziente Tumorkontrolle bei geringer therapiebedingter Morbidität bietet.

Der erste Bericht über den Einsatz der Brachytherapie an der Prostata stammt aus dem Jahr 1911 von Pasteau [2]. Erstmalig wurde diese innovative Therapieform im Jahr 1913 anlässlich des International Medical Congress in London von der wissenschaftlichen Welt wahrgenommen. Pasteau und Degrais stellten dort ihre Technik vor, bei der über einen Silbertubus, der in die Harnröhre eingeführt wurde, eine Radiumquelle, die an einem Draht befestigt war an die Prostata herangeführt wurde und dort für eine definierte Zeitspanne zur Bestrahlung verblieb [3]. Nahezu zeitgleich stellte Paschkis die erste zystoskopisch kontrollierte Radium-Applikation vor [4]. Seit diesen frühen Tagen hat sich die interstitielle Brachytherapie insbesondere durch technische Entwicklungen wie den transrektalen Ultraschall und den Einsatz von intraoperativen auch dreidimensionalen Planungsmethoden zu einer etablierten Therapieform des lokalisierten Prostatakarzinoms entwickelt.



    Neben der radikalen operativen Behandlung gewinnen strahlentherapeutische Ansätze zur Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms zunehmend an Bedeutung. Während die Strahlentherapie in zurückliegenden Jahren meist zur Therapie lokal fortgeschrittener Prostatakarzinome und zur Palliation metastasenbedingter Komplikationen eingesetzt wurde, hat die Einführung bzw. technische Modifikation neuer Verfahren der Strahlenapplikation zu einem vermehrten Einsatz dieser Therapie auch bei örtlich begrenzten Prostatakarzinomen geführt. So haben die externe 3D-Konformationsbehandlung und die transrektal-sonographisch geführte interstitielle Brachytherapie dazu geführt, dass es möglich wird, höhere Strahlendosen im Zielgebiet zu applizieren, ohne die therapiebedingte Morbidität zu erhöhen. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass der Anteil der Patienten, die primär eine interstitielle Brachytherapie zur Therapie ihres Prostatakarzinoms des niedrigen und intermediären Risikos in den USA erhielten von ca. 8-10% aller Therapien in den Jahren 1990-1998 auf knapp 25% in den Jahren 1999-2011 gestiegen ist [5].

Methodik
    Grundsätzlich existieren zwei methodisch unterschiedliche brachytherapeutische Verfahren. Auf der einen Seite die „Low-dose rate (LDR)“ Brachytherapie unter der Verwendung von Jod-125 (J-125), Palladium-103 (Pd-103), Gold-198 (Au-198), Ytterbium-169 (Yb-169) oder Caesium 131 (Cs-131) Seeds, auf der anderen Seite die „High-dose rate (HDR)“ Brachytherapie oder Afterloadingimplantation mit Iridium-192 (Ir-192) mit einem schrittweise bewegten Strahler, der wieder entfernt wird. Beide Verfahren ermöglichen die Applikation einer hohen Zieldosis unter Verwendung einer Strahlenqualität mit nur geringer Tiefenwirkung und damit minimierter Strahlenbelastung des periprostatischen Gewebes wie z.B. Rektum, Urethra oder Harnblase. Während der Einsatz der HDR-Brachytherapie als Monotherapie ohne ergänzende perkutane Aufsättigung auf Grund fehlender langfristiger Therapieergebnisse noch als experimentell anzusehen ist, liegen für den Einsatz der LDR-Brachytherapie als Monotherapie beim lokalisierten Prostatakarzinom ausreichende Erfahrungen vor, um diese Therapieform als kurativen Behandlungsansatz als etabliert zu betrachten.

    Es existieren grundsätzlich zwei verschiedene Formen für die permanente interstitielle Brachytherapie. Die erste wurde zu Beginn der 80er Jahre in Seattle entwickelt und basierte auf der Erstellung eines Bestrahlungsplans vor der Therapie. Serielle Ultraschallbilder in 5 mm Schichtdicke wurden zu einem vor der Therapie gelegenen Zeitpunkt erstellt und zur Erstellung eines Bestrahlungsplanes im Vorfeld der Implantation verwendet. Dieser Plan wurde dann zu einem späteren Zeitpunkt im Operationssaal umgesetzt. Die Seeds wurden entweder in vorgeladenen Nadeln unter Verwendung von Platzhaltern oder fixiert in Strängen aus absorbierbarem Material verwendet [6-8].

    Alternativ wurde im Mount Sinai Zentrum in New York in den späten 80er und frühen 90er Jahren die „Real-time-Methode“ entwickelt. Diese Technik bedient sich Normogrammen und Referenztabellen, um die Anzahl der benötigten Strahler im Vorfeld der Therapie zu kalkulieren. Die Bestrahlungsplanung und Implantation der Seeds erfolgt intraoperativ an dem korrekt gelagerten Patienten mit Hilfe eines speziellen Applikators (Mick TP200, Mick Radionuclear Instruments, Bronx, NY) [9-11].

    Bisher fehlen prospektiv randomisierte Studien, die die Überlegenheit der einen oder anderen Methode belegen würden, aber die Amerikanische Gesellschaft für Brachytherapie (ABS) hat die intraoperative Planungsmethode als die zu bevorzugende Technik der Brachytherapie propagiert [12].

    Auch die Planungssoftware ist in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt worden. Während die ersten transperinealen Implantationen in Seattle noch mit relativ groben Planungsschemata vorgenommen wurden und die Seeds uniform nach der Quimby-Methode unter radiologischer Kontrolle in der Prostata verteilt wurden, kamen seit den frühen 90er Jahren die ersten Softwareversionen zur Anwendung, die eine „real-time“ Implantation mittels Planung am bipolaren Ultraschall möglich machten und die modifizierte periphere Seedverteilung umsetzten [13].

    Die Einführung der Postimplantationsdosimetrie durch Computertomographie (CT) mit Hilfe einer 3-D-Software macht eine relativ genaue Dosiskontrolle im Anschluss an eine rein ultraschallgestützte Implantation möglich.

    Eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen intraoperativer und postoperativer Dosisverteilung gilt als Qualitätsmerkmal der Implantation. Die CT-gestützte Dosiskontrolle sollte 4 bis 6 Wochen nach der Implantation durchgeführt werden, um das Abklingen des implantationsbedingten Ödems der Prostata abzuwarten. Die Ergebnisse der Postimplantationsdosimetrie lassen Vorhersagen bezüglich der Tumorkontrolle und der therapiebedingten Morbidität zu. So konnten überlegene rezidivfreie Überlebenszeiten für die Patienten dokumentiert werden, die in der Postimplantationsdosimetrie mehr als 140Gy in über 90% des Prostata (D90) aufwiesen [14].

    Die applizierte rektale und urethrale Dosis korrelierte mit der Inzidenz proktitischer bzw. urethritischer Nebenwirkungen [15, 16].

Indikation zur Seed-Therapie
    Die alleinige permanente Brachytherapie mit Implantation von Radioisotopen kann auf Grund der physikalischen Eigenschaften der eingesetzten Strahler nur bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen kurativ eingesetzt werden.

    Aus diesem Grund wird in der aktuellen deutschen S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms die interstitielle LDR-Monotherapie als primäre Therapieoption nur für Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom mit niedrigem Risikoprofil empfohlen. Für Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom des mittleren Risikoprofils wird eine Empfehlung aufgrund der heterogenen Datenlage weiterhin nicht gegeben. Für Patienten mit lokalisierten Prostatakarzinomen des hohen Risikoprofils wird der Einsatz der LDR-Brachytherapie in Kombination mit perkutaner Bestrahlung und/oder hormonablativer Therapie nur unter der Bedingung eines kontrollierten Studiendesigns empfohlen [17].

    Die Indikation zum alleinigen Einsatz der Seed-Therapie wird definiert für Patienten mit einem klinischen Stadium T2a, einer Gleason-Summe <7 und einem PSA-Wert bei Diagnosestellung <10 ng/ml. Weiterhin sollte das Volumen der Prostata <60 ml und der Schambeinwinkel weit genug für eine perineale Implantation sein. Zur Vermeidung von gravierenden Miktionssymptomen wie Harnverhalt, Strang- oder Dysurie oder Harninkontinenz werden ein prätherapeutischer Internationaler Prostata Symptom Score (IPSS) 12, möglichst keine Restharnbildung sowie Zustände nach TUR-P mit nur kleinem intraprostatischem Defekt gefordert [17].

    In den Empfehlungen der europäischen Gesellschaften für Strahlentherapie (ESTRO), Urologie (EAU) zusammen mit der EORTC werden folgende Kontraindikationen für die permanente Seed-Implantation gesehen:
    1. Eine Lebenserwartung des Patienten <5 Jahren.
    2. Der Nachweis von Metastasen.
    3. Eine kürzlich durchgeführte TURP mit persistierendem großem zentralem Defekt.
    4. Patienten mit Störungen der physiologischen Gerinnung.
    5. Eine Größe der Prostata >50 ccm wegen möglicher Interferenz mit dem Schambeinwinkel.

    Auch in diesen Empfehlungen wird eine Gruppe von Patienten definiert, die insbesondere vom alleinigen Einsatz der permanenten interstitiellen Brachytherapie profitiert. Das klinische Stadium bei Diagnosestellung sollte T2a, der S-PSA Wert <10ng/ml und die Gleason Summe der Biopsie 6 sein [18]. In den aktuellen Leitlinien der American Brachytherapy Society (ABS) wird die alleinige LDR-Brachytherapie für den niedrigen Risikobereich favorisiert. Die alleinige oder mit perkutaner Bestrahlung und Hormondeprivation kombinierte LDR-Brachytherapie wird im intermediären Risikobereich als optional gesehen. Im hohen Risikobereich wird die Kombination aus LDR Brachytherapie, perkutaner Strahlentherapie und Hormondeprivation empfohlen [19].

Therapieergebnisse
    Die Beurteilung des Therapieerfolgs nach interstitieller Brachytherapie erfolgte in den vergangenen Jahren meistens durch die Beschreibung eines stabilen, nicht-ansteigenden PSA-Wertes und nicht durch die Angabe des PSA-Nadirs. Dabei kamen die Kriterien der „American Society for Therapeutic Radiology and Oncology (ASTRO)“ zur Anwendung, in denen ein serologisches Rezidiv erst durch den dreimaligen konsekutiven Nachweis eines steigenden PSA-Wertes bei einem zeitlichen Mindestabstand von drei Monaten zwischen den Laborkontrollen definiert ist [20]. Ein PSA-Nadir von <0,2 ng/ml wurde als alternatives Erfolgskriterium vorgeschlagen [21, 22].

    Eine Langzeituntersuchung mit einem Follow-up von sieben Jahren hat allerdings gezeigt, dass die Vorhersage des Therapieerfolgs sowohl anhand der ASTRO-Kriterien als auch durch die Beschreibung des PSA-Nadirs gleich zuverlässig möglich ist [23]. Aktuell wird ein Therapieversagen mit dem Zeitpunkt definiert, an dem der PSA-Wert den Nadir um 2 ng/ml überschreitet. Der Abfall des PSA Wertes kann sich über eine Zeitspanne von 4Jahren erstrecken [24]. In diesem Zeitraum erleben etwa 35% der Patienten einen temporären PSA-Anstieg von >0,2 ng/ml, einen sog. „PSA-bounce“ [25].

    Patienten mit niedrigem Risiko für ein lokal fortgeschrittenes Tumorwachstum oder eine Metastasierung (PSA <10 ng/ml, Gleason-Summe <7, klinisches Stadium T2a) zeigen die besten Ergebnisse nach interstitieller Brachytherapie als Monotherapie. Der Anteil der Patienten ohne serologisches Rezidiv (PSA-Rezidivfrei), die ein Follow-up von mindestens fünf Jahren aufwiesen, lag zwischen 65-93%. In zwei Serien mit einer Nachbeobachtungszeit von zehn Jahren lag die biochemisch rezidivfreie Überlebensrate zwischen 66-85% (Tab.).

    Für Patienten der mittleren Risikogruppe (Gleason 7 oder PSA 10 ng/ml oder klinisches Stadium T2b), die mit einer interstitiellen Brachytherapie als Monotherapie behandelt wurden, lagen die 5-Jahres biochemisch rezidivfreien Überlebensraten zwischen 32-82%. Diese teilweise sehr geringen Tumorkontrollraten haben heute dazu geführt, dass die interstitielle Brachytherapie in dieser Risikoklasse zunehmend in Kombination mit anderen Therapieformen (Externe Bestrahlung, Hormonablation) eingesetzt wird. Gleiches gilt für die Patienten der Hochrisiko-Gruppe, bei denen die Tumorkontrollraten nach Monotherapie mit Seeds noch geringer sind.

    Da ähnlich wie für andere Therapieformen des lokalisierten Prostatakarzinoms keine prospektiv randomisierten Ergebnisse zur Tumorkontrolle vorliegen wurden kürzlich im Rahmen einer Metaanalyse die biochemisch progressionsfreien Verläufe der LDR-Brachytherapie mit anderen therapeutischen Ansätzen in den verschiedenen Risikoklassen verglichen. Dabei zeigte sich die LDR-Brachytherapie in allen Risikostrukturen im Vergleich zu anderen Therapieformen als mindestens gleich effektiv [26].

    Weitere Daten zur Effektivität und Nebenwirkungen der LDR-Brachytherapie sind im Rahmen angelaufener umfangreicher Versorgungsstudien wie z.B. der ProBrachy® Datenbasis zu erwarten, die inzwischen mehr als 3.500 Patienten aus 32 Zentren rekrutierte, nachbeobachten.

    Erkenntnisgewinn bezüglich eines prospektiv randomisierten Therapiergebnisvergleiches wird aktuell von der PREFERE Studie erwartet, in der auch Patienten des niedrig-intermediären Risikos präferenzbasiert inkludiert sind.

Therapiebedingte Morbidität
    Die durch interstitielle Brachytherapie induzierte Morbidität kann akut (innerhalb des ersten Jahres nach der Implantation) oder chronisch auftreten (nach dem ersten Jahr nach der Implantation). Die Morbidität kann den Harntrakt, das Rektum oder die sexuelle Funktion betreffen.

Akute Morbidität
    Die akute Morbidität nach Seed-Implantation ist durch die Bestrahlung und durch das Nadeltrauma bedingt. Die Nadelinsertion kann zur Ausbildung von perinealen Hämatomen oder Schwellungen, Hämaturie und im schwersten Fall zur Blasentamponade führen. Ein Harnverhalt nach Implantation wurde bei 5-22% der Patienten nach Monotherapie und zwischen 5-14,5% nach Kombinationstherapie beobachtet [27, 28].

    Die Wahrscheinlichkeit für eine komplette Harnretention korrelierte mit der Größe der Prostata, dem prätherapeutischen Internationalen Prostata Symptom Score (IPSS) [29]. Diese Nebenwirkung manifestierte sich typischerweise in den ersten sechs Tagen nach dem Eingriff. Der überwiegende Teil der behandelten Patienten zeigt akute Miktionsbeschwerden in Form von Dysurie, Pollakisurie, Drangsymptomen, abgeschwächten Harnstrahl oder Nykturie. Typischerweise bilden sich diese Beschwerden bei 90% der therapierten Männer innerhalb des ersten Jahres komplett zurück.

    Die Notwendigkeit zur transurethralen Resektion (TUR-P) bei protrahierten obstruktiven Miktionsbeschwerden wird zwischen 0-8,7% angegeben [30, 31]. Die Inzidenz einer Harninkontinenz liegt nach Implantation zwischen 0-19% und steigt in Kombination mit einer TUR-P bis auf 22% an [32, 33]. Die akute rektale Morbidität ist gekennzeichnet durch Tenesmen und Defäkationsreiz in Kombination mit der Miktion, und limitiert sich bei fast allen Patienten in den ersten drei Monaten nach der Implantation [34].

Chronische Morbidität:
    Chronische Miktionsbeschwerden können sowohl in Form irritativer oder obstruktiver Symptome, als auch von Inkontinenz auftreten. Grad III Miktionsstörungen nach Klassifikation der RTOG wurden in 1-3% der therapierten Patienten berichtet und sind häufig auf Überdosierung der Bestrahlung an der Harnblasenbasis oder anhaltende radiogen induzierte Entzündungen der prostatischen Harnröhre zurückzuführen [35, 36].

    Operative Interventionen an der Prostata vor der Implantation und Seedplatzierungen um die bulbäre Urethra prädisponieren zur Ausbildung von Blasenhalsstrikturen und werden bei bis zu 12% der Patienten im Langzeitverlauf beschrieben [37].

    Chronische rektale Komplikationen können aus einer permanenten Seed-Implantation resultieren. Der Schweregrad dieser Veränderungen variiert zwischen gelegentlichen transanalen Blutungen bis zur Entstehung von rekto-urethralen oder rekto-vesikalen Fisteln. Die Proktitis-Rate nach interstitieller Brachytherapie schwankt zwischen 1-21,4% und tritt bei Patienten mit kombinierter externer und interner Radiatio häufiger auf [38, 39]. Schwerwiegende rektale Komplikationen wie Ulcera- und Fistelbildung treten vermehrt bei Patienten auf, die sich zur Abklärung oder Behandlung ihrer rektalen Blutabgänge einer transrektalen Biopsie oder einer Elektrokoagulation unterziehen, so dass von dieser Art von Interventionen nach interstitieller Seed-Implantation dringend abgeraten werden muß [40, 41].

    Eine intestinale Symptomatik (z.B. erhöhte Stuhlfrequenz, rektale Blutung) tritt nach retrospektiven Analyse im Rahmen der S3-Leitlinienerstellung nach perkutaner Bestrahlung oder Brachytherapie häufiger auf als nach radikaler Prostatektomie, aber es ergaben sich Hinweise für einen Vorteil der LDR-Brachytherapie gegenüber der perkutanen Strahlentherapie bezüglich der Enddarmfunktion [17].

    Der Erhalt der erektilen Funktion ist für viele Männer der Grund, sich durch interstitielle Bachytherapie therapieren zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Zeitraum zwischen 1-6 Jahren nach der Implantation noch eine für den Geschlechtsverkehr ausreichende erektile Funktion zu haben, liegt zwischen 53-86% [42, 43]. In vergleichenden Kohortenstudien ist die Häufigkeit von Sexualstörungen nach LDR-Brachytherapie niedriger als nach radikaler Prostatektomie oder perkutaner Strahlentherapie [17]. Der Erektionserhalt ist signifikant mit dem präinterventionellen Erektionsstatus korreliert. Während 70% der Männer, die vor der Implantation einen uneingeschränkten Erektionsstatus aufwiesen, diesen auch sechs Jahre nach der Seed-Therapie zeigten, lag diese Rate bei Patienten mit eingeschränkter Erektionsfunktion vor der Brachytherapie bei 34% [44]. Es werden zunehmend Daten publiziert, die eine Abhängigkeit der Erektionsfunktion von der Strahlendosis, die auf den Bulbus penis appliziert wird, zeigen. Eine Limitierung der auf die Crura penis applizierten Strahlendosis ist zur Protektion der Erektion anzustreben [45].

    Die Kombination der interstitiellen Brachytherapie mit der externen Bestrahlung und/oder der Hormondeprivation reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Erektionserhalts signifikant. So konnten Potters et al. nach fünf Jahren einen Erektionserhalt bei 76% der Patienten nachweisen, die die permanente Brachytherapie als Monotherapie erhalten hatten. Diese Rate reduzierte sich auf 56%, wenn eine Kombination aus interstitieller Brachytherapie und externer Strahlentherapie eingesetzt wurde und auf 29% im Fall einer Kombination aus interstitieller und externer Strahlentherapie mit einer neoadjuvanten Hormonablation [46].

    Die Ansprechrate auf eine orale erektionsinduzierende Medikation ist nach interstitieller Brachytherapie signifikant höher als nach dem Einsatz anderer Therapieformen [47].

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Dezember 2013 Druckversion (pdf) Dr. med. Stefan Machtens (Begergisch Gladbach)
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