Das Prostatakarzinom ist zurzeit das Malignom bei Männern der westlichen Welt mit der höchsten Inzidenz und der zweithöchsten tumorbedingten Mortalität [1]. So hat inzwischen auch in Deutschland seit 1998 das Prostatakarzinom die höchste Inzidenz aller malignen Erkrankungen des Mannes. Die jüngsten epidemiologischen Daten zeigen, dass u.a. durch den vermehrten Einsatz des prostataspezifischen Antigens (PSA) bei der Früherkennung und beim Screening zunehmend jüngere Patienten mit gut differenzierten und lokalisierten Tumoren des niedrigen und intermediären Risikotyps detektiert werden. Gerade für diese zunehmend größer werdende Gruppe von erkrankten Männern steht mit der interstitiellen Brachytherapie ein Verfahren zur Verfügung, das eine effiziente Tumorkontrolle bei geringer therapiebedingter Morbidität bietet.
Der erste Bericht über den Einsatz der Brachytherapie an der Prostata stammt aus dem Jahr 1911 von Pasteau [2]. Erstmalig wurde diese innovative Therapieform im Jahr 1913 anlässlich des International Medical Congress in London von der wissenschaftlichen Welt wahrgenommen. Pasteau und Degrais stellten dort ihre Technik vor, bei der über einen Silbertubus, der in die Harnröhre eingeführt wurde, eine Radiumquelle, die an einem Draht befestigt war an die Prostata herangeführt wurde und dort für eine definierte Zeitspanne zur Bestrahlung verblieb [3]. Nahezu zeitgleich stellte Paschkis die erste zystoskopisch kontrollierte Radium-Applikation vor [4]. Seit diesen frühen Tagen hat sich die interstitielle Brachytherapie insbesondere durch technische Entwicklungen wie den transrektalen Ultraschall und den Einsatz von intraoperativen auch dreidimensionalen Planungsmethoden zu einer etablierten Therapieform des lokalisierten Prostatakarzinoms entwickelt.
Es existieren grundsätzlich zwei verschiedene Formen für die permanente interstitielle Brachytherapie. Die erste wurde zu Beginn der 80er Jahre in Seattle entwickelt und basierte auf der Erstellung eines Bestrahlungsplans vor der Therapie. Serielle Ultraschallbilder in 5 mm Schichtdicke wurden zu einem vor der Therapie gelegenen Zeitpunkt erstellt und zur Erstellung eines Bestrahlungsplanes im Vorfeld der Implantation verwendet. Dieser Plan wurde dann zu einem späteren Zeitpunkt im Operationssaal umgesetzt. Die Seeds wurden entweder in vorgeladenen Nadeln unter Verwendung von Platzhaltern oder fixiert in Strängen aus absorbierbarem Material verwendet [6-8].
Alternativ wurde im Mount Sinai Zentrum in New York in den späten 80er und frühen 90er Jahren die
„Real-time-
Bisher fehlen prospektiv randomisierte Studien, die die Überlegenheit der einen oder anderen Methode
belegen würden, aber die Amerikanische Gesellschaft für Brachytherapie (ABS) hat die intraoperative
Planungsmethode als die zu bevorzugende Technik der Brachytherapie propagiert [12].
Auch die Planungssoftware ist in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt worden. Während
die ersten transperinealen Implantationen in Seattle noch mit relativ groben Planungsschemata vorgenommen
wurden und die Seeds uniform nach der Quimby-
Eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen intraoperativer und postoperativer Dosisverteilung
gilt als Qualitätsmerkmal der Implantation. Die CT-gestützte Dosiskontrolle sollte 4 bis 6 Wochen
nach der Implantation durchgeführt werden, um das Abklingen des implantationsbedingten Ödems der
Prostata abzuwarten. Die Ergebnisse der Postimplantationsdosimetrie lassen Vorhersagen bezüglich
der Tumorkontrolle und der therapiebedingten Morbidität zu. So konnten überlegene rezidivfreie
Überlebenszeiten für die Patienten dokumentiert werden, die in der Postimplantationsdosimetrie
mehr als 140Gy in über 90% des Prostata (D90) aufwiesen [14].
Die applizierte rektale und urethrale Dosis korrelierte mit der Inzidenz proktitischer bzw.
urethritischer Nebenwirkungen [15, 16].
Die Einführung der Postimplantationsdosimetrie durch Computertomographie (CT) mit Hilfe einer
3-D-Software macht eine relativ genaue Dosiskontrolle im Anschluss an eine rein ultraschallgestützte
Implantation möglich.
Aus diesem Grund wird in der aktuellen deutschen S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des
Prostatakarzinoms die interstitielle LDR-Monotherapie als primäre Therapieoption nur für Patienten
mit lokal begrenztem Prostatakarzinom mit niedrigem Risikoprofil empfohlen. Für Patienten mit lokal
begrenztem Prostatakarzinom des mittleren Risikoprofils wird eine Empfehlung aufgrund der heterogenen
Datenlage weiterhin nicht gegeben. Für Patienten mit lokalisierten Prostatakarzinomen des hohen
Risikoprofils wird der Einsatz der LDR-Brachytherapie in Kombination mit perkutaner Bestrahlung
und/oder hormonablativer Therapie nur unter der Bedingung eines kontrollierten Studiendesigns
empfohlen [17].
Die Indikation zum alleinigen Einsatz der Seed-Therapie wird definiert für Patienten mit einem klinischen Stadium T2a, einer Gleason-Summe <7 und einem PSA-Wert bei Diagnosestellung <10 ng/ml. Weiterhin sollte das Volumen der Prostata <60 ml und der Schambeinwinkel weit genug für eine perineale Implantation sein. Zur Vermeidung von gravierenden Miktionssymptomen wie Harnverhalt, Strang- oder Dysurie oder Harninkontinenz werden ein prätherapeutischer Internationaler Prostata Symptom Score (IPSS) 12, möglichst keine Restharnbildung sowie Zustände nach TUR-P mit nur kleinem intraprostatischem Defekt gefordert [17].
In den Empfehlungen der europäischen Gesellschaften für Strahlentherapie (ESTRO), Urologie (EAU)
zusammen mit der EORTC werden folgende Kontraindikationen für die permanente Seed-Implantation gesehen:
1. Eine Lebenserwartung des Patienten <5 Jahren.
2. Der Nachweis von Metastasen.
3. Eine kürzlich durchgeführte TURP mit persistierendem großem zentralem Defekt.
4. Patienten mit Störungen der physiologischen Gerinnung.
5. Eine Größe der Prostata >50 ccm wegen möglicher Interferenz mit dem Schambeinwinkel.
Auch in diesen Empfehlungen wird eine Gruppe von Patienten definiert, die insbesondere vom
alleinigen Einsatz der permanenten interstitiellen Brachytherapie profitiert. Das klinische
Stadium bei Diagnosestellung sollte T2a, der S-PSA Wert <10ng/ml und die Gleason Summe der
Biopsie 6 sein [18]. In den aktuellen Leitlinien der American Brachytherapy Society (ABS) wird
die alleinige LDR-Brachytherapie für den niedrigen Risikobereich favorisiert. Die alleinige oder
mit perkutaner Bestrahlung und Hormondeprivation kombinierte LDR-Brachytherapie wird im intermediären
Risikobereich als optional gesehen. Im hohen Risikobereich wird die Kombination aus LDR Brachytherapie,
perkutaner Strahlentherapie und Hormondeprivation empfohlen [19].
Eine Langzeituntersuchung mit einem Follow-up von sieben Jahren hat allerdings gezeigt, dass die
Vorhersage des Therapieerfolgs sowohl anhand der ASTRO-Kriterien als auch durch die Beschreibung des
PSA-Nadirs gleich zuverlässig möglich ist [23]. Aktuell wird ein Therapieversagen
mit dem Zeitpunkt definiert, an dem der PSA-Wert den Nadir um 2 ng/ml überschreitet. Der Abfall des
PSA Wertes kann sich über eine Zeitspanne von 4Jahren erstrecken [24]. In diesem
Zeitraum erleben etwa 35% der Patienten einen temporären PSA-Anstieg von >0,2 ng/ml, einen sog.
„PSA-bounce“ [25].
Patienten mit niedrigem Risiko für ein lokal fortgeschrittenes Tumorwachstum oder eine Metastasierung (PSA <10 ng/ml, Gleason-Summe <7, klinisches Stadium T2a) zeigen die besten Ergebnisse nach interstitieller Brachytherapie als Monotherapie. Der Anteil der Patienten ohne serologisches Rezidiv (PSA-Rezidivfrei), die ein Follow-up von mindestens fünf Jahren aufwiesen, lag zwischen 65-93%. In zwei Serien mit einer Nachbeobachtungszeit von zehn Jahren lag die biochemisch rezidivfreie Überlebensrate zwischen 66-85% (Tab.).
Für Patienten der mittleren Risikogruppe (Gleason 7 oder PSA 10 ng/ml oder klinisches Stadium T2b), die mit einer interstitiellen Brachytherapie als Monotherapie behandelt wurden, lagen die 5-Jahres biochemisch rezidivfreien Überlebensraten zwischen 32-82%. Diese teilweise sehr geringen Tumorkontrollraten haben heute dazu geführt, dass die interstitielle Brachytherapie in dieser Risikoklasse zunehmend in Kombination mit anderen Therapieformen (Externe Bestrahlung, Hormonablation) eingesetzt wird. Gleiches gilt für die Patienten der Hochrisiko-Gruppe, bei denen die Tumorkontrollraten nach Monotherapie mit Seeds noch geringer sind.
Da ähnlich wie für andere Therapieformen des lokalisierten Prostatakarzinoms keine prospektiv randomisierten Ergebnisse zur Tumorkontrolle vorliegen wurden kürzlich im Rahmen einer Metaanalyse die biochemisch progressionsfreien Verläufe der LDR-Brachytherapie mit anderen therapeutischen Ansätzen in den verschiedenen Risikoklassen verglichen. Dabei zeigte sich die LDR-Brachytherapie in allen Risikostrukturen im Vergleich zu anderen Therapieformen als mindestens gleich effektiv [26].
Weitere Daten zur Effektivität und Nebenwirkungen der LDR-Brachytherapie sind im Rahmen angelaufener umfangreicher Versorgungsstudien wie z.B. der ProBrachy® Datenbasis zu erwarten, die inzwischen mehr als 3.500 Patienten aus 32 Zentren rekrutierte, nachbeobachten.
Erkenntnisgewinn bezüglich eines prospektiv randomisierten Therapiergebnisvergleiches wird aktuell von
der PREFERE Studie erwartet, in der auch Patienten des niedrig-intermediären Risikos präferenzbasiert
inkludiert sind.
Die Wahrscheinlichkeit für eine komplette Harnretention korrelierte mit der Größe der Prostata, dem prätherapeutischen Internationalen Prostata Symptom Score (IPSS) [29]. Diese Nebenwirkung manifestierte sich typischerweise in den ersten sechs Tagen nach dem Eingriff. Der überwiegende Teil der behandelten Patienten zeigt akute Miktionsbeschwerden in Form von Dysurie, Pollakisurie, Drangsymptomen, abgeschwächten Harnstrahl oder Nykturie. Typischerweise bilden sich diese Beschwerden bei 90% der therapierten Männer innerhalb des ersten Jahres komplett zurück.
Die Notwendigkeit zur transurethralen Resektion (TUR-P) bei protrahierten obstruktiven Miktionsbeschwerden
wird zwischen 0-8,7% angegeben [30, 31]. Die Inzidenz einer Harninkontinenz liegt nach
Implantation zwischen 0-19% und steigt in Kombination mit einer TUR-P bis auf 22% an [32, 33].
Die akute rektale Morbidität ist gekennzeichnet durch Tenesmen und Defäkationsreiz in Kombination mit der Miktion,
und limitiert sich bei fast allen Patienten in den ersten drei Monaten nach der Implantation [34].
Operative Interventionen an der Prostata vor der Implantation und Seedplatzierungen um die bulbäre Urethra
prädisponieren zur Ausbildung von Blasenhalsstrikturen und werden bei bis zu 12% der Patienten im Langzeitverlauf
beschrieben [37].
Chronische rektale Komplikationen können aus einer permanenten Seed-Implantation resultieren. Der Schweregrad
dieser Veränderungen variiert zwischen gelegentlichen transanalen Blutungen bis zur Entstehung von
rekto-
Eine intestinale Symptomatik (z.B. erhöhte Stuhlfrequenz, rektale Blutung) tritt nach retrospektiven Analyse
im Rahmen der S3-Leitlinienerstellung nach perkutaner Bestrahlung oder Brachytherapie häufiger auf als nach
radikaler Prostatektomie, aber es ergaben sich Hinweise für einen Vorteil der LDR-Brachytherapie gegenüber
der perkutanen Strahlentherapie bezüglich der Enddarmfunktion [17].
Der Erhalt der erektilen Funktion ist für viele Männer der Grund, sich durch interstitielle Bachytherapie
therapieren zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Zeitraum zwischen 1-6 Jahren nach der Implantation
noch eine für den Geschlechtsverkehr ausreichende erektile Funktion zu haben, liegt zwischen 53-86%
Die Kombination der interstitiellen Brachytherapie mit der externen Bestrahlung und/oder der Hormondeprivation
reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Erektionserhalts signifikant. So konnten Potters et al. nach fünf
Jahren einen Erektionserhalt bei 76% der Patienten nachweisen, die die permanente Brachytherapie als
Monotherapie erhalten hatten. Diese Rate reduzierte sich auf 56%, wenn eine Kombination aus interstitieller
Brachytherapie und externer Strahlentherapie eingesetzt wurde und auf 29% im Fall einer Kombination aus
interstitieller und externer Strahlentherapie mit einer neoadjuvanten Hormonablation [46].
Die Ansprechrate auf eine orale erektionsinduzierende Medikation ist nach interstitieller Brachytherapie
signifikant höher als nach dem Einsatz anderer Therapieformen [47].
[42, 43]. In vergleichenden Kohortenstudien ist die Häufigkeit von Sexualstörungen nach
LDR-Brachytherapie niedriger als nach radikaler Prostatektomie oder perkutaner Strahlentherapie
[17]. Der Erektionserhalt ist signifikant mit dem präinterventionellen Erektionsstatus
korreliert. Während 70% der Männer, die vor der Implantation einen uneingeschränkten Erektionsstatus
aufwiesen, diesen auch sechs Jahre nach der Seed-Therapie zeigten, lag diese Rate bei Patienten mit
eingeschränkter Erektionsfunktion vor der Brachytherapie bei 34% [44]. Es werden
zunehmend Daten publiziert, die eine Abhängigkeit der Erektionsfunktion von der Strahlendosis, die auf
den Bulbus penis appliziert wird, zeigen. Eine Limitierung der auf die Crura penis applizierten
Strahlendosis ist zur Protektion der Erektion anzustreben [45].
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