Der Anteil von Krebspatienten, die sich komplementären und alternativen Heilmethoden zuwenden,
reicht je nach Untersuchung von ca. 35% bis etwa 70%. Dabei werden Nahrungsergänzungsmittel mit
am häufigsten angewandt. Untersuchungen bei Prostatakrebs-Patienten zeigen, dass ein Großteil der
Betroffenen Supplemente wie Vitamine, Mineralstoffe, Pflanzenwirkstoffe, Antioxidantien und Hormone
zum Teil alleine oder in mannigfachen Kombinationen anwendet. Die Wirksamkeit solcher Präparate zur
Prävention von Prostatakrebs ist vielfach zweifelhaft oder widerlegt. Andererseits haben sich
zahlreiche Nahrungssupplemente, die als therapeutische Maßnahme bei Prostatakrebs propagiert
werden, in einschlägigen Prüfungen zumeist als nutzlos oder gar schädlich erwiesen.
Einnahme von Nahrungssupplementen bei Prostatakrebs-Patienten weit verbreitet
In einer vorausgegangenen amerikanischen Umfrage mit 805 Männern mit Prostatakrebs gaben 73%
der Befragten an, Nahrungssupplemente anzuwenden. Bei jedem dritten Patient war der behandelnde
Arzt nicht unterrichtet. Am häufigsten wurden Multivitamine (56%), Vitamin E (43%),
Vitamin C (33%) und Kalzium (26 %) eingenommen. Die Entscheidung für die Supplementierung
stand im Zusammenhang mit einem höheren Bildungsgrad, regelmäßiger sportlicher Betätigung
und einer gesunden Ernährungsweise mit fünf oder mehr Portionen Früchte und Gemüse im
Verlauf des Tages [2].
Einer weiteren amerikanischen Umfrage zufolge greift ein wiederum wesentlich geringerer Prozentsatz
an Männern mit Prostatakrebs zu Nahrungssupplementen. Herkömmlicherweise werden Vitamine und
Mineralstoffe (26%), Kräuter (16%), Antioxidantien (13%) wie auch Mittel zur Stärkung der
Prostatagesundheit (12%; z.B. Sägepalmenextrakt, Selen, Vitamin E und Leukopen) eingenommen.
Die Anwender waren häufiger durch vermehrte Komorbidität belastet, hatten bei der Diagnosestellung
einen schlechteren histologischen Tumortyp, waren gebildeter und verfügten über ein höheres
Einkommen als Nichtanwender von Nahrungsergänzungsmitteln [3].
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Abb. 1: Kaplan-Meier-Kurven der kumulativen Inzidenzrate aller aufgetretenen invasiven Prostatakarzinome bei Männern mit einer hochgradigen prostatischen intraepithelialen Neoplasie, die entweder Vitamin E, Soja und Selen oder Placebo eingenommen haben (nach Fleshner NE, et al. 2011). |
Multivitaminpräparate beschleunigen Wachstum von Prostatakrebs
Nahrungssupplements können Strahlensensitivität normaler Prostatazellen erhöhen
Hormonell wirksame Supplemente fördern die Progression von Prostatakrebs
In einer prospektiven Beobachtungsstudie ermittelten amerikanische Wissenschaftler, dass die
regelmäßige Einnahme von Multivitaminpräparaten das Risiko für tödlichen Prostatakrebs signifikant
erhöht. Die Autoren schließen zwar nicht zwingend aus, dass der Vitamincocktail vor der Entstehung
von Prostatakrebs schützen könne, doch das Wachstum eines malignen Prostatatumors wird offenbar
beschleunigt und damit die Sterblichkeit möglicherweise erhöht [5]. Diesbezüglich wurden Daten
der National Institutes of Health American Association of Retired Persons (NIH-AARP) Diet and
Health Study ausgewertet. Von den nahezu 300.000 teilnehmenden Männern waren 10.241 an Prostatakrebs
erkrankt. Darunter waren 8.765 Fälle mit lokalisiertem PCa. Bei diesen Patienten bestand kein
statistisch signifikanter Unterschied bezüglich der Einnahme von Multivitaminpräparaten
(tägliche Einnahme 47% oder öfter 5% versus niemals Vitamine eingenommen 48%). Ein deutlicher
Unterschied wurde jedoch bei Fällen mit fortgeschrittenem PCa registriert: Die Anwender von
Vitamin-
Verschiedene so genannte Prostata-spezifische Gesundheitsprodukte, die zumindest in den USA für
Patienten frei zugänglich sind, werden von Krebspatienten zur Linderung von Symptomen in Verbindung
mit Prostataproblemen eingenommen. Inwieweit dadurch normale Prostatazellen oder Prostatakrebszellen
gegenüber einer Strahlentherapie sensitiviert werden, wurde von einer amerikanischen Arbeitsgruppe
untersucht. In-vitro-Experimente mit den humanen Prostatakrebs-Zelllinien LNCaP, DU-145 und PC-3
wurden Wachstum und Strahlensensitivität durch die Prostata-spezifischen Supplemente (Trinovin,
Provelex, Prostate Rx) nicht beeinflusst. Andererseits wurde die Wachstumsrate normaler Prostatazellen
Nachdem innerhalb kurzer Zeit bei zwei Patienten, die das gleiche (allerdings nicht namentlich genannte)
in den USA frei erhältliche Hormonpräparat eingenommen hatten, ein aggressives PCa diagnostiziert worden
war, testeten alarmierte Forscher das Präparat in vitro an verschiedenen humanen Prostatakrebs-
Abb. 2: Das untersuchte hormonell wirksame Nahrungssupplement stimuliert
das Wachstum hormonsensitiver LNCaP-Zellen signifikant stärker als Testosteron. Das Zellwachstum
ist als relative Zunahme der Zellen im Vergleich zu Kontrollen in reinem Inkubationsmedium ausgedrückt
(nach Shariat SF, et al. 2008).
Literatur:
[1] Westerlund A, Steineck G, Bälter K, et al. 2011.
Dietary supplement use patterns in men with prostate cancer: the Cancer Prostate Sweden Study. Ann Oncol 22:967-972.
[2] Wiygul JB, Evans BR, Peterson BL, et al. 2005.
Supplement use among men with prostate cancer. Urology 66:161-166.
[3] Chan JM, Elkin EP, Silva SJ, et al. 2005.
Total and specific complementary and alternative medicine use in a large cohort of men with prostate cancer. Urology 66:1223-1228.
[4] Fleshner NE, Kapusta L, Donnelly B, et al. 2011.
Progression from high-grade prostatic intraepithelial neoplasia to cancer: a randomized trial of
combination of vitamin E, soy, and selenium. J Clin Oncol 29:2386-2390.
[5] Lawson KA, Wright ME, Subar A, et al. 2007.
Multivitamin use and risk of prostate cancer in the National Institutes of Health – AARP Diet and Health study.
J Natl Cancer Inst 99:754-764.
[6] Hasan Y, Schoenherr D, Martínez AA, et al. 2010.
Prostate-specific natural health products (dietary supplements) radiosensitize normal prostate cells.
Int J Radiat Oncol Biol Phys 76:896-904.
[7] Shariat SF, Lamb DJ, Roehrborn CG, Slawin KM, 2008.
Potentially harmful effects of a testosterone dietary supplement on prostate cancer growth and metastasis.
Arch Intern Med 168:235-236.
[8] Shariat SF, Lamb DJ, Iyengar RG, 2008.
Herebal/hormonal dietary supplement possibly associated with prostate cancer progression. Clin Cancer Res 14:607-611.
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