Prostatakrebs gilt in den westlichen Industrieländern als zweithäufigste krebsbedingte Todesursache, obwohl das
Fünfjahres-
Rolle des Androgenrezeptors auch bei Kastrationsresistenz
Auch im Stadium der Kastrationsresistenz wird die Progression des Prostatakrebses über die Aktivierung des Androgenrezeptors (AR) vorangetrieben. Hierbei können Androgene aus den Nebennierenrinden und durch die Prostatakrebszellen selbst produzierte Androgene eine Rolle spielen [7]. Die Synthese intrakriner Androgene wird durch Interleukin-6 reguliert und beruht auf der vermehrten Bildung von Enzymen des Androgenmetabolismus [8].
Die Aktivierung des AR bei kastrationsresistentem Prostatakrebs wurde über verschiedene Mechanismen zu erklären versucht. Hierzu zählen die Mutation und Amplifikation des AR-Gens, Aktivierung des AR durch nicht-androgene Faktoren wie Interleukin-6 und den Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor-1, sowie eine veränderte Expressionsrate von transkriptorischen Koregulatoren wie die Überexpression von Koaktivatoren und die Downregulierung der Expression von Korepressoren.
In einer aktuellen Phase-I/II-Studie mit den AR-Antagonisten MDV3100 in unterschiedlicher Konzentration bestätigte sich,
dass auch beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom weiterhin eine Abhängigkeit von der Signalübertragung via AR
besteht [9]. Anti-Tumoreffekte wurden bei MDV3100-Dosen zwischen täglich 60 mg und 480 mg registriert:
Bei mehr als der Hälfte der Patienten kam es zum Abfall des PSA-Spiegels um 50% und darüber hinaus. Ähnlich häufig stabilisierte
sich die ossäre Beteiligung und die Zahl der zirkulierenden Tumorzellen reduzierte sich auf ein vorteilhaftes Niveau. Die Zeit bis
zur Progression betrug im Mittel 47 Wochen. Bei maximal 240 mg MDV3100 konnte die Therapie für länger als 28 Tage aufrechterhalten
werden. Als häufigstes unerwünschtes Ereignis trat dosisabhängig und reversibel Fatigue vom Grad 3/4 (11%) auf.
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Abb. 1: Vorgeschlagener molekularer Mechanismus, der den Übergang von der Aktivierung des Androgenrezeptors in der normalen Prostataepithelzelle zur promiskuitiven AR-Aktivierung insbesondere bei kastrationsresistentem Prostatakrebs darstellt. Hierbei können Mutationen des AR-Gens, eine Amplifikation des AR-Gens, die Überexpression von Koaktivatoren des AR-Gens, die Downregulation von Korepressoren und die intraprostatische Bildung von Androgenen eine Rolle spielen. Bei Verlust der Funktion des Tumorsuppressorproteins PTEN durch Mutation oder Deletion kommt es zur Lösung des Forkhead-Transkriptionsfaktors FOXO1 vom AR-Transaktivierungskomplex, dessen Phosphorylierung und enzymatische Degradierung im Zytoplasma. ARE = Androgen-Response-Element (nach Jinang J, Huang H, 2010). |
Die Rationale für eine Anwendung von ETA-R-Antagonisten wie Zibotentan beim metastasierten Prostatakarzinom liegt
darin begründet, dass Endothelin-A bei Knochenmetastasen die Osteoblastenaktivität begünstigt. Darüber hinaus wirkt ET
anti-apoptotisch, und es fördert die Tumorangiogenese wie auch die Tumorinvasion.
Zibotentan
In einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-II-Studie wurden Effektivität und Sicherheit einer Behandlung mit
Zibotentan, einem selektiven ETA-R-Antagonisten, bei Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakrebs und Knochenmetastasen,
die schmerzfrei waren oder nur leichte Symptome zeigten, untersucht [12]: Zwischen Placebo und Zibotentan in zwei Dosierungen
bestand bezüglich der medianen Zeit bis zur Progression, die als primärer Endpunkt definiert worden war, kein statistisch
signifikanter Unterschied. Bemerkenswerterweise stellte sich aber bei der Analyse des Gesamtüberlebens ein Vorteil für Zibotentan
heraus, der bereits nach 40 Todesfällen erkennbar war, und der sich nach 118 Todesfällen bestätigte. Die Autoren glauben, dass
die Diskrepanz zwischen der Zeit bis zur Progression und dem Gesamtüberleben auf ihre sehr sensitive Definition von Progession
zurückzuführen sein könnte.
Angesichts des positiven Ergebnisses hinsichtlich Gesamtüberleben wurden zwei große Phase-III-Studien mit Zibotentan initiiert:
Zibotentan plus Docetaxel beim metastasierten hormonresistenten Prostatakrebs (ENTHUSEM1C) und Zibotentan als Monotherapie
(ENTHUSEM MO).
Im nächsten Schritt wurde das therapeutische Potenzial der Taxane bei kastrationsresistentem Prostatakrebs ausgelotet. Die
Ergebnisse von Phase-I/II-Studien zeigten für Docetaxel-basierte Regime höhere Ansprechraten als sie zuvor mit Mitoxantron
erreicht worden waren. Insbesondere betrug das mediane Überleben von Patienten, die dreiwöchentlich Docetaxel erhielten,
bis zu 27 Monate.
Docetaxel plus Prednison
Im Jahr 2004 bestätigten die Ergebnisse zweier großer, randomisierter Phase-III-Studien unabhängig voneinander den
Überlebensvorteil für Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakrebs, die bei einer Behandlung mit Docetaxel gegenüber
der mit Mitoxantron: Die TAX 327-Studie diente dem Vergleich Docetaxel dreiwöchentlich (q3w, 75 mg/m2) sowie Docetaxel
wöchentlich (q1w, 30 mg/m2 5 von 6 Wochen) mit Mitoxantron dreiwöchentlich (q3w, 12 mg/m2) jeweils in Kombination mit
zweimal täglich 5 mg Prednison. Dabei ergab sich für die dreiwöchentlich mit Docetaxel behandelten Patienten eine signifikante
Verringerung des Sterberisikos von 24% [13]. Die First-line-Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms erfolgt
daher heute standardmäßig mit dreiwöchentlichen Zyklen von Docetaxel in Kombination mit täglich Prednison.
In der Studie SWOG 99-16 wurde die Kombination Docetaxel/Estramustin im Vergleich zu Mitoxantron plus Prednison verglichen. Die Reduktion des Sterberisikos bei den mit Docetaxel/Estramustin behandelten Patienten betrug 20% [14].
Mit keiner zugelassenen Substanz konnte bis dato in einer Phase-III-Studie ein günstigeres Krankheitsergebnis bei Patienten
mit kastrationsresistentem Prostatakrebs erzielt werden.
Epothilone
Epothilone besitzen eine pharmakologische Wirkung als Zytostatika. Ihr Wirkmechanismus beruht in ähnlicher Weise wie bei
den Taxanen auf der Stabilisierung von Mikrotubuli, wodurch es zu einem Arrest im Zellzyklus in der M/G2-Phase kommt.
Mit verschiedenen Vertretern dieser Substanzklasse (Ixabepilon, Patupilon, Sagopilon) wurden Phase-II-Studien bei
kastrationsresistentem Prostatakrebs unternommen. Von Patienten, die als primäre Chemotherapie Ixabepilon erhielten,
zeigten 33% ein PSA-Ansprechen. Randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien mit Epothilonen gibt es bislang nicht – es
laufen gegenwärtig auch keine.
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Abb. 2: Kaplan-Meier-Gesamtüberlebenskurven gesondert nach der Klassifizierung in gering, intermediär und hohes Risiko (nach Armstrong AJ, et al. 2010). |
Auf dem ASCO 2010 wurden die Ergebnisse der Phase-III-Zulassungsstudie (TROPIC) präsentiert, an der 146 Zentren in 26 Ländern (darunter auch in Deutschland) beteiligt waren [19]. Bei 755 Patienten mit metastasiertem hormonrefraktärem Prostatakrebs, deren Erkrankung unter oder nach einer Docetaxel-basierten First-line-Therapie fortgeschritten war, wurden mit täglich 10 mg Prednison in Kombination mit entweder dreiwöchentlich 12 mg/m2 Mitoxantron oder 25 mg/m2 Cabazitaxel behandelt. Primärer Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben.
Nach einem mittleren Follow-up von 12,8 Monaten ergab sich für den Studienarm gegenüber dem Vergleichsarm ein um 28% geringeres Mortalitätsrisiko. Das mediane Gesamtüberleben betrug bei den mit Cabazitaxel behandelten Patienten 15,1 Monate und bei den mit Mitoxantron behandelten Patienten 12,7 Monate.
Die Behandlung mit Cabazitaxel verursachte eine hohe Rate an Neutropenien Grad 3/4 (81,7%) gegenüber 58% mit Mitoxantron.
Aufgrund der positiven Ergebnisse wird erwartet, dass Cabazitaxel in der Second-line-Therapie von kastrationsresistentem
Prostatakrebs eine Rolle spielen wird.
Wiederbehandlung mit Docetaxel
Anhand der Krankenberichte von Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakrebs, die an sieben verschiedenen kontrollierten
klinischen Studien mit Docetaxel als First-Line-Therapie teilgenommen hatten, wurden 50 bestätigte Responder identifiziert,
die die Therapie nicht fortgesetzt hatten. Ihre Gründe für den Abbruch waren andere als die Progression der Krankheit oder
untolerierbare Toxizität. Alle Männer erhielten eine weitere Therapie mit Docetaxel [20]: Bei der First-line-Therapie betrug
die mittlere Behandlungsdauer 10,3 (4,6-45,7) Monate. Das mittlere Docetaxel-freie Intervall dauerte im Mittel 18,4 (5,0-46,7)
Monate. Bei 24 Patienten (48%) wurde eine 50 %ige Reduktion des PSA-Spiegels registriert. Das mittlere Gesamtüberleben nach
Wiederaufnahme der Docetaxel-Therapie belief sich auf 16 (13-20) Monate. Nicht zuletzt auch aufgrund eines günstigen
Toleranzprofils glauben die Autoren, dass bei Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakrebs, die auf eine
First-line-Therapie mit Docetaxel angesprochen haben, von einer Wiederaufnahme der Therapie profitieren können.
Satraplatin plus Prednison
Die Ergebnisse der Satraplatin and Prednisone Against Refractory Cancer Trial (SPARC) ergaben als Second-line-Therapie bei
Patienten mit Chemotherapie vorbehandeltem kastrationsresistentem Prostatakrebs zwar eine signifikante Verlängerung des
progressionsfreien Überlebens, doch es wurden keine Vorteile beim Gesamtüberleben registriert [21]: Die
950 Patienten der Phase-III-Studie erhielten randomisiert entweder 80 mg/m2 orales Satraplatin (n=635) an den Tagen
1 und 5 eines 35-tägigen Zyklus plus zweimal täglich 5 mg Prednison oder Placebo (n=315) plus Prednison.
Die mittlere Dauer des progressionsfreien Überlebens betrug im Satraplatin-Arm 11,1 Wochen gegenüber 9,7 Wochen im
Placebo-Arm (p<0,001). Das mittlere Gesamtüberleben – der zweite festgelegte primäre Endpunkt – betrug in der
Intention-to-Treat-Population im Satraplatin-Arm 61,3 Wochen und im Placebo-Arm 61,4 Wochen. Die Therapie mit
Satraplatin wurde trotz vermehrten Auftretens von Myelosuppression und gastrointestinalen Beschwerden allgemein
gut toleriert.
Carboplatin plus Taxan
Carboplatin allein hat bei kastrationsresistentem Prostatakrebs nur moderate Aktivität. Ihm wird aber in Verbindung mit
Taxanen ein höherer Nutzen beigemessen. Eine gepoolte Analyse aus den Daten von sieben Studien mit der Dreierkombination
Taxan-Estramustin-Carboplatin zeigte zwar ein vorteilhaftes Gesamtüberlebensprofil, doch es ließ sich nicht klar ermitteln,
ob der Benefit dem Taxan alleine oder einer Wirkungssteigerung durch die Kombination mit Carboplatin zuzuschreiben
ist [22].
Sunitinib
Sunitinib inhibiert verschiedene Tyrosin-Kinasen wie den VEGFR und den platelet-derived growth factor receptor (PDGF).
Letzterer wird von Prostatakarzinomen und Metastasen aus kastrationsrefraktärem Prostatakrebs exprimiert.
Sunitinib wurde als Monotherapie bei Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakrebs, die nach ein bis zwei zytotoxischen
Behandlungsregimen einschließlich Docetaxel progredient waren, in einer Phase-II-Studie geprüft [23]. Die
radiographische klinische Beurteilung ergab bei 36 Patienten ein medianes progressionsfreies Überleben von 19,4 Wochen. In
vier Fällen sank der PSA-Spiegel um mindestens 50% und in sieben Fällen um mindestens 30 %. Gemäß RECIST kam es bei zwei
von 18 Patienten mit messbarer Krankheit zu einem 30%igen Rückgang, und bei acht Patienten wurde eine geringgradige
Schrumpfung registriert.
Docetaxel plus Bevacizumab
Patienten mit progredientem kastrationsresistentem Prostatakrebs erhielten nach vorausgegangener Behandlung mit Docetaxel
als Second-line-Therapie die Kombination Bevacizumab (10 mg/kg) und Docetaxel (60 mg/m2) alle drei Wochen.
In elf Fällen (55%) wurde ein deutliches PSA-Ansprechen registriert. Bei vier dieser Männer war das zuvor unter Docetaxel
alleine nicht beobachtet worden [24].
Die zusammengefasste Analyse zweier sehr ähnlich konzipierter, randomisierter, Placebo-kontrollierter Phase-III-Studien ergab in der Studiengruppe eine 33%ige Reduktion des Mortalitätsrisikos mit einer mittleren Überlebenszeit von 23,2 Monaten bei Behandlung mit Sipuleucel-T und 18,9 Monaten in der Placebo-Gruppe [25].
Sipuleucel-T wurde in den USA für asymptomatische oder minimal symptomatische Patienten mit kastrationsresistentem
Prostatakrebs zugelassen. Gegenwärtig bleibt die Anwendung aber auf die etwa 50 Zentren, die an der Entwicklung der
Vakzine beteiligt waren, beschränkt. Die Produktionskapazität ist auf ca. 2.000 Patienten beschränkt.
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