Kenntnisse über Kollateralschäden durch unsachgerechte Antibiotikaanwendung, die ihre Ängste schürten, hatten die Frauen oft aus Laienquellen und nicht von Ärzten. Sie gaben vielfach an, so starke Bedenken zu haben, dass sie auch vom Arzt verschriebene Antibiotika bei Infektionen nicht mehr einnehmen wollten.
Das erste von den Teilnehmerinnen angesprochene Thema war der negative Einfluss der Antibiotika auf die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen. In zweiter Linie äußerten Frauen Bedenken über Kollateralschäden der Antibiotika auf ihr gastrointestinales und urogenitales Mikrobiom. Einige Frauen hatten danach eine Infektion mit Clostridium difficile, und oftmals wurden monatelang anhaltende allgemeine Magen-Darm-Störungen zur Sprache gebracht. Schließlich berichteten Frauen über ihre Besorgnis, dass Antibiotika auch bei Nichtvorliegen einer Infektion verschrieben würden und über die unnötige Anwendung von Breitspektrumantibiotika.
Einige Frauen berichteten von unerträglichen Symptomen und hätten sich während der HTI-Episoden eine schnelle Symptomlinderung gewünscht. Andere glaubten, dass sie mehrfach unnötigerweise Antibiotika für HTI oder für Symptome erhalten hatten, die womöglich von einer anderen urogenitalen Krankheit herrührten. Einige postmenopausale Frauen zeigten Verständnis dafür, dass eine Behandlung bei chronischer Kolonisierung und asymptomatischer Bakteriurie erst beim Symptomatischwerden erforderlich wird.
Verschiedene Patientinnen räumten ein, dass sie ständig Symptome einer überaktiven Blase haben, die sich von ihren UTI-Symptomen unterscheiden. Erstere Symptome wurden mit geringgradigerem Unbehagen gekennzeichnet, letztere aber als schmerzlich und belastend empfunden.
Vielfach wurden von den Teilnehmerinnen Unmut insbesondere mit Ärzten geäußert, die übermäßig Antibiotika verschreiben. Einige Patientinnen überwanden ihre Frustration nach Überweisung an einen Spezialisten. Andere wiederum berichteten von anhaltenden Vorbehalten.
Die Frauen brachten ihren Ärger mit Ärzten zur Sprache, die “Patientinnen mit Antibiotika bewerfen” ohne andere Optionen der Prävention und Behandlung darzulegen. Daher gaben zahlreiche Frauen an, dass sie Rat von Kräutermedizinern und Akupunkturpraktikern, wie auch von Leidensgenossinnen in Online-Foren und Chatrooms suchen.
Ein zweites von den Teilnehmerinnen diskutiertes Anliegen war der Eindruck, dass Ärzte nicht auf sie eingehen. Sie glaubten,
dass ihre Ärzte die Belastung ihres Lebens durch wHTI unterschätzen. Diese Eindrücke führten zu einem verbreiteten
Misstrauen gegenüber Ärzten. Zudem mahnen Frauen verstärkte Forschungsanstrengungen bei der Entwicklung nicht-antibiotischer
Optionen zur Prävention und Behandlung von HTI an. Gefordert werden auch leicht zugängliche, schnellere Diagnoseverfahren
mit Antibiotikasensitivität der HTI. Zudem brachten Teilnehmerinnen zum Ausdruck, dass zu ihrem Leidwesen allgemeinere
medizinische Kenntnisse über Immunfaktoren des Wirts oder über Störungen des Mikrobioms fehlen, die sie für HTI prädisponieren können.
Sich abzeichnende Konzepte
Furcht – insbesondere in Verbindung mit unerwünschten Wirkungen der Antibiotikaeinnahme – war ein vorherrschendes Gefühl,
das in den Fokusgruppendiskussionen durchweg zu Tage gebracht wurde. Daraus geht hervor, dass Ärzte die Erfahrungen der
Patientinnen mit wHTI und ihre Einstellung gegenüber Antibiotika aufgreifen und deren Ängste im Beratungsgespräch thematisieren sollten.
Frustration mit den Ärzten über die gängigen Behandlungsmethoden der wHTI wurde als zweite sich abzeichnende Vorstellung erkannt.
Für Ärzte besteht die offenkundige Notwendigkeit, ihre Behandlung von wHTI auf Patientenpräferenz gestützte individualisierte
Strategien auszurichten, um Misstrauen und Frustration gegenüber der Ärzteschaft abzubauen.
❏ Patientinnen sind über Ärzte verärgert, die auf ihre Ängste nicht eingehen und nicht sparsamer mit Antibiotika umgehen.
❏ Um den Anliegen der Patientinnen gerecht zu werden, besteht für Ärzte die Notwendigkeit die Behandlungsstrategien zu revidieren.
❏ Forschungsanstrengungen sollten verstärkt auf Verbesserungen der nicht-antibiotischen Optionen zur Prävention und Behandlung wiederkehrender Harntraktinfektionen verwendet werden.
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