Behandlung des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms  

Der frühe Einsatz von neuen Substanzen, bereits beim hormonsensitiven fortgeschrittenen Prostatakarzinom, hat einen direkten Einfluss auf nachfolgende Therapien.

Die molekularen Untersuchungen vor Beginn einer systemischen Therapie gewinnen beim Prostatakarzinom an Bedeutung, erklärte Sven Perner (Lübeck). Mutationen in DNA-Reparaturgenen werden beim Prostatakarzinom häufig beobachtet und sind mit PARP-Inhibitoren behandelbar: BRCA1, BRCA2 und ATM-Alterationen treten bei etwa 11% der Patienten mit primärem Prostatakarzinom und (mit CHEK2-Alterationen) bei 19% der metastasierten Prostatakarzinomfälle auf [1]. Es wird vermutet, dass es sich bei etwa der Hälfte der Mutationen um Keimbahnmutationen handelt. In diesen Fällen spielen die PARP-Inhibitoren eine klinisch bedeutsame Rolle. Zudem nimmt die Evidenz zu, dass Patienten mit Mikrosatelliten-instabilem (MSI High) oder Mismatchrepair (MMR)-defizientem fortgeschrittenem Prostatakarzinom von Checkpoint-Inhibitoren profitieren können. Auch wenn nur etwa 3% der Prostatakarzinom-Patienten diesen Phänotyp aufweisen und von diesen wiederum nur ein kleiner Teil auf die Therapie anspreche, so gebe es doch die Möglichkeit der prädiktiven Patientenselektion durch entsprechende sequentielle Tests, bemerkte Perner. In der Praxis sollte allen Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom ein somatischer Genomtest des Tumorgewebes auf HRD (Homologous Recombination Deficiency) und MMR-Defekte angeboten werden. Auch sollte allen Patienten mit metastasierter oder lokaler Hochrisiko-Erkrankung, unabhängig von einer Familienhistorie eine Keimbahntestung ermöglicht werden. In näherer Zukunft könnte sich die CDK12-Mutation als potenzieller Marker für den Nutzen einer Immuntherapie etablieren [2].

Prognostische und prädiktive Marker

Ein Problem mit den bekannten Biomarkern ist die Heterogenität von Tumoren und Metastasen. Wie Lisa Horvath, Sydney (Australien), erklärte, spiegelt die Biopsie einer Metastase nicht zwangsweise die Treibermutationen anderer Metastasen oder intrametastatische Veränderungen wider. Die systemische Therapie, insbesondere die Androgendeprivationstherapie (ADT), verändert zudem die Biologie der Erkrankung, sodass Gewebeproben möglicherweise nicht mehr den aktuellen Tumor repräsentieren. Prognostische Marker, die bei Taxanen untersucht wurden, sind zirkulierende Tumorzellen (CTCs), zellfreie DNA (cfDNA) und methyliertes GSTP1 (mGSTP1) [3-5]. Das Abfallen der cfDNA-Spiegel nach 4 Zyklen war zudem als Biomarker für den Krankheitsverlauf mit dem PSA-Ansprechen korreliert. Ebenso zeigten Patienten mit nachweisbarem mGSTP1 nach 4 Zyklen einen schlechteren Krankheitsverlauf verglichen mit nicht nachweisbarem mGSTP1 unter Taxantherapie. In der Klasse der Androgenrezeptor (AR)-Inhibitoren besteht die beste Evidenz von Biomarkern für Abirateron und Enzalutamid. Die Konversion von CTCs wurde jüngst von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA als Surrogatenpunkt bei klinischen Studien mit AR-Inhibitoren akzeptiert [6]. Das genetische Muster beim mCRPC verändert sich dramatisch von der lokalisierten zur kastrationsresistenten Erkrankungsphase [7,8]. Als prädiktive genomische Veränderungen der ctDNA wurden Verluste der homologen Rekombinationsreparaturmechanismen (HRR), das Auftreten von p53-Mutationen und die erhöhte Expression des AR-Rezeptors identifiziert [9]. Weitere potenziell prognostisch und prädiktive Biomarker sind AR-Amplifikationen und die AR-Variante 7 (AR-V7) [10,11]. Derzeit sollten allerdings keine Therapieentscheidungen aufgrund von AR-V7-Testungen getroffen werden.

Es gibt keine ideale Sequenz

Eine ideale Sequenz für die Behandlung des mCRPC gibt es nicht, fasste Alison Birtle, Preston (Großbritannien), das derzeitige Wissen mit den neuesten Studienergebnissen zu PARP-Inhibitoren, Lu-PSMA und Checkpointinhibitoren zusammen. Jede Therapie beeinflusse aber die nächsten bleibenden Optionen. Klar sei nur, dass die Sequenz von zwei AR-gerichteten Therapien keinen Nutzen hat. Die individuell ausgerichtete Präzisionsmedizin bleibe vorerst die optimale Herangehensweise, so Birtle.

Bericht: Dr. Ine Schmale, Westerburg

Literatur:
[1] Pritchard CC, et al. 2016. DNA-repair gene mutations in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 375: 1804-1805
[2] Wu YM, et al. 2018. Inactivation of CDK12 delineates a distinct immunogenic class of advanced prostate cancer. Cell 173: 1770-1782
[3] Goldkorn A, et al. 2014. Circulating tumor cell counts are prognostic of overall survival in SWOG S0421: A phase III trial of docetaxel with or without atrasentan for metastatic castration-resistant prostate cancer. J Clin Oncol 32: 1136-1142
[4] Mehra N, et al. 2018. Plasma cell-free DNA concentration and outcomes from taxane therapy in metastatic castration-resistant prostate cancer from two phase III trials (FIRSTANA and PROSELICA). Eur Urol 74: 283-291
[5] Mahon KL, et al. 2014. Methylated glutathione S-transferase 1 (mGSTP1) is a potential plasma free DNA epigenetic marker of prognosis and response to chemotherapy in castrate-resistant prostate cancer. Br J Cancer 111: 1802-1809
[6] Heller G, et al. 2018. Circulating tumor cell number as a response measure of prolonged survival for metastatic castration-resistant prostate cancer: A comparison with prostate-specific antigen across five randomized phase III clinical trials. J Clin Oncol 36: 572-580
[7] Beltran H, et al. 2013. Targeted next-generation sequencing of advanced prostate cancer identifies potential therapeutic targets and disease heterogeneity. Eur Urol 63: 920-926
[8] Robinson D, et al. 2015. Integrative clinical genomics of advanced prostate cancer. Cell 161: 1215-1228
[9] Annala M, et al. 2018. Circulating tumor DNA genomics correlate with resistance to abiraterone and enzalutamide in prostate cancer. Cancer Discov 8: 444-457
[10] Scher H, et al. 2016. Association of AR-V7 on circulating tumor cells as a treatment-specific biomarker with outcomes and survival in castration-resistant prostate cancer. JAMA Oncol 2: 1441-1449
[11] Armstrong AJ, et al. 2019. Prospective multicenter validation of androgen receptor splice variant 7 and hormone therapy resistance in high-risk castration-resistant prostate cancer: The PROPHECY study. J Clin Oncol 37: 1120-1129.


Quelle: EAU 2020, Thematic Session 03 „Management of patients with CRPC in 2020“, 17. Juli 2020

September 2020

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