Androgendeprivationstherapie

Muskuloskelettale Effekte bei sofortiger versus verzögerter Aufnahme von Bewegungsübungen


  Bei Männern mit Prostatakrebs (PCa) bedingt die Androgendeprivationstherapie (ADT) eine Reihe negativer Effekte wie insbesondere muskuloskelettale Toxizität. Eine reduzierte Knochenmineraldichte (BMD) erhöht das Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche. Dem Verlust an Magermasse oder Muskelmasse steht die Erhöhung der Gesamtkörper-Fettmasse (GK-FM) und der abdominalen FM gegenüber. Das erhöht die Anfälligkeit für kardiovaskuläre und metabolische Komplikationen.

Eine Reihe Untersucher hat bei Männern mit PCa unter ADT die Wirksamkeit zielgerichteter Bewegungsübungen (primär Wiederstands- und/oder aerobes Training) zur Rückgängigmachung verschiedener ADT-verbundener negativer Effekte unter Beweis gestellt. Darunter fallen verminderte Muskelmasse und -kraft, die physische Funktion, die aerobe Fitness, Fatigue, die sexuelle Gesundheit und die krankheitsspezifische Lebensqualität. Es stellt sich die Frage, ob es nicht günstiger sei, bereits vom Beginn einer ADT an, deren negative Effekte abzuschwächen oder ganz zu verhindern als erst rehabilitativ zu intervenieren.

  Es sollte untersucht werden, ob Prostatakrebs-Patienten, die bereits beim Start einer ADT mit Bewegungsmedizin beginnen, den Knochen und die Zusammensetzung des Weichteilgewebes eher erhalten als jene, die erst im Laufe der ADT damit beginnen.

  Insgesamt 104 Patienten mit PCa (Alter: 48–84 Jahre), bei denen eine ADT begonnen wurde, wurden in eine Gruppe mit unmittelbarem Beginn von Bewegungsübungen (IMEX, n=54) und eine Gruppe mit verzögertem Beginn des Übungsprogramms (DEL, n=50) randomisiert. Für erstere bestand das Programm zunächst aus 6 Monaten überwachtem Widerstands/Aerobic/Impact-Training und für letztere aus 6 Monaten Routineversorgung. In den anschließenden 6 Monaten des Studienzeitraums vertauschten beide Gruppen die Programme. Regionale und Gesamtkörper-BMD, die Magermasse, die Gesamtkörper-Fettmasse (GK-FM), die Rumpf-FM und der Extremitätenmuskulatur wurden mittels DEXA (dual X-ray absorptiometry) bestimmt. Muskeldichtemessungen erfolgten mittels peripherer quantitativer Computertomographie zu Baseline sowie nach 6 und 12 Monaten.

  Knochenmineraldichte: Zu Baseline bestanden zwischen den Gruppen keine Unterschiede bezüglich Wirbelsäulen-, Hüft- und Gesamtkörper-BMD Knochenmineraldichte. Die Wirbelsäulen-BMD war nach 12 Monaten sowohl in der IMEX- als auch in der DEL-Gruppe im Vergleich zu Baseline verringert: In beiden Gruppen blieb die BMD während des jeweiligen Trainingsintervalls weitgehend erhalten, während sie in den Zeiten ohne Training deutlicher abnahm. Als Gesamtergebnis nach 12 Monaten war der Verlust an BMD in beiden Gruppen vergleichbar (IMEX-Gruppe: -1,5% vs. DEL-Gruppe: -1,3%).

In beiden Gruppen kam es in der gesamten Hüfte und im Gesamtkörper zu einer progressiven BMD-Abnahme, insofern als der Verlust in der Hüfte nach 12 Monaten -2,1% bzw. -2,3% in der IMEX- und der DEL-Gruppe betrug. Im Gesamtkörper waren es -1,4%.

Weichteilgewebe-Zusammensetzung und Muskeldichte: Bezüglich der Weichteilgewebe-Zusammensetzung und der Muskeldichte bestand zwischen beiden Gruppen zu Baseline kein Unterschied. Die Magermasse und der Extremität-Skelettmuskel blieben in der IMEX-Gruppe erhalten. Für die Magermasse wurde ein signifikanter zeitabhängiger Effekt registriert (p <0,001). Während in der IMEX-Gruppe zwischen Baseline und 6 Monaten keine Veränderung an Magermasse festgestellt wurde, verringerte sie sich in der DEL-Gruppe um 0,8 kg bis zum 6. Monat und erholte sich dann mit dem Training (1,4 kg) während der Monate 7–12, so dass sie nach 12 Monaten in der IMEX- und der DEL-Gruppe um 1,4% bzw. 1,1% erhöht war.

Die Extremitätenmuskulatur blieb in der IMEX-Gruppe ohne signifikante Veränderung über 12 Monate erhalten. In der DEL-Gruppe hatte die Extremitätenmuskulatur bei der Abschlussmessung nach dem Training gegenüber Baseline und dem 6-monatigen Wert zugenommen. Die Netto-Unterschiede der Extremitätenmuskulatur in der IMEX- und der DEL-Gruppe betrugen nach 12 Monaten im Vergleich zu Baseline 1,3% bzw. 0,8%.

Die Muskeldichte blieb in der IMEX-Gruppe nach 6 Monaten erhalten und reduzierte sich in der DEL-Gruppe um 1,5%.

Für die GK-FM wurde ein signifikanter Zeiteffekt (p <0,001) registriert. In der IMEX-Gruppe stieg die GK-FM stufenweise an – 1 kg nach 6 Monaten und weitere 0,9 kg nach 12 Monaten. Hingegen stieg die GK-FM in der DEL-Gruppe während der trainingsfreien Periode um 1,7 kg an und blieb beim Training danach auf diesem Niveau. Das Körperfett war also in beiden Gruppen nach 6 und 12 Monaten höher als zu Baseline.

Die Rumpf-FM erhöhte sich in der 12-monatigen Studienzeitraum sowohl in der IMEX- als auch in der DEL-Gruppe um jeweils 0,6 kg. In beiden Gruppen erfolgte eine Zunahme insbesondere während der trainingsfreien Periode.



❏ Bei Prostatakrebs-Patienten erhalten Bewegungsübungen, die mit Beginn einer ADT eingeleitet werden, weitgehend die spinale Knochenmineraldichte wie auch die Muskelmasse und deren Leistungsfähigkeit.

❏ Das führt zum Ausgleich behandlungsbedingter muskuloskelettaler Toxizität.

❏ Auch wenn ein Prostatakrebs-Patienten bereits ADT-bedingte Nebenwirkungen auftreten, erweisen sich in rehabilitativer Absicht ausgeführte Bewegungsübungen nutzbringend.

❏ Um der Entwicklung muskuloskelettaler Toxizität vorzubeugen, sollte den Patienten aber mit dem Beginn einer ADT auch eine Bewegungstherapie verordnet werden.


Taaffe DR, Galvão DA, Spry N, et al. 2019. Immediate versus delayed exercise in men initiating androgen deprivation: effects on bone density and soft tissue composition. BJU Int 123:261-269.


Januar  2020

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