Harninkontinenz nach Schlaganfall
Effektivität einer neuromuskulären Elektrostimulationstherapie


  Nach einem Schlaganfall leiden insbesondere ältere Patienten häufig an Harninkontinenz. Die Angaben zur Prävalenz variieren zwischen 32% bis 79%. Die Behandlungsstrategien umfassen verhaltenstherapeutische Maßnahmen, Beckenbodentraining, elektrische Stimulation, Medikationen, medizinische Vorrichtungen, interventionelle Therapien, Operationen und saugstarke Vorlagen. Bisher veröffentlichte Daten zu der Wirksamkeit einer Behandlung mit neuromuskulärer Elektrostimulation beruhen auf einer nicht randomisierten, nicht kontrollierten Studie, an der überwiegend Patientinnen mit postapoplektischer Harninkontinenz teilgenommen hatten.

  Die Effektivität einer neuromuskuläre Elektrostimulationstherapie bei Patienten mit Harninkontinenz nach Schlaganfall wurde randomisiert im Vergleich mit scheinbehandelten Patienten bewertet.

  Insgesamt 82 Patienten mit Harninkontinenz nach Schlaganfall wurden randomisiert auf 2 Gruppen verteilt, von denen eine 10 Wochen mit neuromuskulärer Elektrostimulation behandelt wurde (NMES-Gruppe), während die andere eine entsprechende Scheinbehandlung erhielt (Scheingruppe). Primäre Endpunkte für Effektivität waren urodynamische Parameter und der OAB-Symptom-Score (OABSS). Als sekundäre Effizienzendpunkte wurden der International Consultation on Incontinence Questionnaire-Short Form (ICIQ-SF)-Score und der Barthel-Index – ein Bewertungsverfahren der alltäglichen Fähigkeiten eines Patienten – ermittelt.

  Ergebnisse beziehen sich auf die Intention-to-Treat-Population von 82 Teilnehmern. Jeweils 4 Patienten gingen während des Follow-up verloren oder zogen ihre Einwilligung zurück. Zwischen den Baseline-Werten (Alter, Geschlecht, BMI, Dauer des Schlaganfalls, Dauer der Harninkontinenz, Krankheitsarten, Region und Komorbidität) bestanden zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede.

Nach 10-wöchiger Behandlung hatten sich die urodynamischen Parameter der Patienten in der NMES-Gruppe gegenüber denen in der Scheingruppe von Baseline ausgehend deutlich stärker verbessert:
Maximale Blasenkapazität, 105,3 vs. 10,3 ml (p<0,01),
Detrusordruck, -11,8 vs. -1,7 cm H2O (p<0,01) und
maximale Flussrate, 8,9 vs. 0,4 ml/sek (p<0,01).

Die OAB-Symptom-Scores nach 10 Wochen betrugen 8,1 bzw. 12,3 mit Veränderungen von -4,5 bzw. -0,5 Punkten von Baseline (p<0,01).

Die Veränderung der sekundären Endpunkte (ICIQ-SF und Barthel-Index) waren ebenfalls signifikant zugunsten der NMES-Gruppe gegenüber der Scheingruppe:
ICIQ-SF nach 10 Wochen Behandlung, 7,8 vs. 10,5 Punkte (p<0,01). Die Differenz von Baseline betrug -3.8 vs. -0.6 Punkte (p<0,01).
Barthel-Index nach 10 Wochen, 15,7 vs. 11,1 Punkte (p<0,01). Differenz 5,3 vs. 0,3 Punkte (p<0,01).

Im gesamten Behandlungszeitraum traten in beiden Gruppen keine Nebenwirkungen wie Schmerzen im Zusammenhang mit der Elektrostimulation bzw. der Scheinprozedur auf.


❏ Patienten mit Harninkontinenz nach Schlaganfall können von einer neuromuskulären Elektrostimulationstherapie bereits nach 10-wöchiger Behandlung profitieren.

❏ Die urodynamischen Parameter, der OAB-Symptom-Score, der ICIQ-SF-Score und der Barthel-Index waren alle bei Elektrostimulation gegenüber der Scheinbehandlung signifikant verbessert.


Guo G-y, Kang Y-g, 2018. Effectiveness of neuromuscular electrical stimulation therapy in patients with urinary incontinence after stroke. A randomized sham controlled trial. Medicine 97:52(e13702)

Juni  2019

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