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Nephrolithiasis und Nephrokalzose bei Mutationen des Vitamin-D-24-Hydroxylase-Gens
FAZIT:
Verschiedene Defekte im CYP24A1-Gen wurden als ursächlich für idiopathische infantile Hyperkalzämie identifiziert. Solche Funktionsverlustmutationen des CYP24A1-Gens, das für 1,25-Dihydroxyvitamin-D3-24-Hydroxylase kodiert, können bei der allgemein befürworteten Vitamin-D-Prophylaxe ein genetischer Risikofaktor für ernsthafte Nebenwirkungen sein. Darüber hinaus wurden in Fällen schwerer hyperkaziurischer Nephrolithiasis und Nephrokalzose mit Hyperkalzämie bei einigen Patienten ebenfalls Loss-of-function Mutationen des CYP24A1-Gens nachgewiesen.

Mehr als 80% aller Nierensteine sind kalzifiziert, so dass ein Zusammenhang mit Störungen des Kalziumstoffwechsels schon frühzeitig ins Blickfeld geraten ist. Typischerweise findet sich bei Patienten mit Nierensteinen eine Hyperkalziurie, wobei in nahezu der Hälfte der Fälle genetische Faktoren eine Rolle spielen. Allerdings ist die Genetik der Kalzium-Nephrolithiasis nach wie vor weitgehend ungeklärt. Bei einer Untergruppe von Patienten mit hyperkalziurischer Nephrolithiasis tritt zugleich Hyperkalzämie auf. Das legt die Beziehung zu idiopathischer infantiler Hyperkalzämie nahe. Die im Zusammenhang mit Vitamin-D-Unverträglichkeit erhöhte Kalziumkonzentration im Blut ruft bei Kindern schwere Symptome hervor. Hierfür konnten unlängst Loss-of-function-Mutationen von CYP24A1 (kurz nach der Funktion auch 24-Hydroxylase genannt), ein essenzielles Enzym im Vitamin-D-Metabolismus, als eine genetische Ursache identifiziert werden. Das inspirierte Untersucher zu spekulieren, dass auch „mysteriöse“ Fälle von Kalzium-Nephrolithiasis und Nephrokalzose auf CYP24A1-Mutationen zurückzuführen sein könnten. Erste Berichte hierüber sind dieses Jahr publiziert worden.



    Zu den genetisch bedingten Ursachen von Nephrolithiasis und Nephrokalzose gehört unter anderem auch eine Reihe von Krankheiten in Verbindung mit einer erhöhten Kalziumkonzentration im Blut. So können granulomatöse Krankheiten wie insbesondere Sarkoidose der Nieren in ca. 15% der Fälle eine Hyperkalzämie und Hyperkalziurie hervorrufen, die die Bildung von Nierensteinen begünstigt. In diesem Zusammenhang spielen auch der primäre Hyperparathyreoidismus, Nierentubulusazidose, modulläre Schwammniere und der Morbus Dent eine Rolle. Ferner ist kürzlich auch die idiopathische infantile Hyperkalzämie in den Blickpunkt gerückt, nachdem Mutationen eines Gens im Vitamin-D-Stoffwechsel bei einigen betroffenen Kindern nachgewiesen werden konnten.

    Mutationen von CYP24A1 als Ursache der idiopathischen infantilen Hyperkalzämie
    Idiopathische infantile Hyperkalzämie ist eine angeborene Störung des Vitamin-D-Abbaus und ähnelt klinisch und laborchemisch der akuten Vitamin-D-Intoxikation. Diese war Anfang der 1950er Jahre in Großbritannien erstmals beschrieben worden, nachdem dort im Rahmen der breiten Rachitis-Prophylaxe mit hohen Dosen an Vitamin D einige Kinder erkrankten. Der Zusammenhang mit der Vitamin-D-Supplementation wurde deutlich, als nach der Dosisreduzierung die zunächt nicht erklärbaren Komplikationen zurückgingen.

    Kürzlich wurden Loss-of-function-Mutationen von CYP24A1, dem Gen für 24-Hydroxylase – das Schlüsselenzym des Abbaus von Vitamin D – als ein genetischer Risikofaktor für idiopathische infantile Hyperkalzämie nachgewiesen [1]. Die 24-Hydroxylase katalysiert die Hydroxylierung der Seitenkette von 25(OH)D3 und 1,25(OH)2D3 (Abb.). Die Ausscheidung der Abbauprodukte erfolgt über die Gallenflüssigkeit.



    In der Studie wurden vier Patienten im Alter von sechs bis acht Monaten mit Symptomen einer idiopathischen infantilen Hyperkalzämie behandelt. Die Säuglinge hatten seit der Geburt eine Vitamin-D-Supplementierung (500 IU/d) erhalten. Die Sequenzanalyse von CYP24A1 ergab Nonsense- und Missense Mutationen bei den homozygoten Patienten oder in zwei Fällen Compund-Heterozygotie. Im Rahmen der Familienabklärung wurden bei zwei asymptomatischen Kindern die gleichen CYP24A1-Mutationen identifiziert.

    Obiger Befund bestätigte sich in einer weiteren Studie bei einem Kind mit schwerer idiopathischer infantiler Hyperkalzämie. Bei weiteren 27 Kindern mit der Krankheit konnte allerdings keine CYP24A1-Mutation identifiziert werden. Das legt den Schluss nahe, dass idiopathische infantile Hyperkalzämie zwar durch Verlust der CYP24A1-Funktion verursacht sein kann, wohl aber noch nach anderen genetischen Defekten zu suchen ist [2].

CYP24A1-Mutationen bei Patienten mit Kalzium-Nephrolithiasis
    Bei zwei Patienten mit überhöhtem Spiegel an 1,25(OH)2D3 und Nephrokalzose oder Nephrolithiasis wurden Vitamin-D-Metaboliten bestimmt und eine CYP24A1-Mutationsanalyse durchgeführt. In beiden Fällen lagen Hyperkalziurie, Hyperkalzämie und ein niedriger Parathormonspiegel vor. Von den Vitamin-D-Metaboliten war 25(OH)D3 normal und 24,25(OH)2D erniedrigt. Die Aktivität der 24-Hydroxylase (CYP24A1) lag unterhalb der Nachweisgrenze. Bei beiden Patienten wurden biallelische Mutationen in CYP24A1 nachgewiesen, die zum Verlust der 24-Hydroxylase-Aktivität führen [3].

    Ferner wurden aktuell drei männliche Patienten mit seit langem bestehender Hyperkalziurie, Nephrolithiasis und Nephrokalzose sowie in Abständen auftretender Hyperkalzämie aus zwei israelischen Familien untersucht. In einem Fall kam es zum Nierenversagen. Die erste Manifestation der Nierenkrankheit bei den Männern trat im Alter zwischen neun und 19 Jahren in Erscheinung. Keiner der Patienten war zuvor mit Vitamin D behandelt worden. Trotz exzessiver Untersuchungen blieb die Ursache über Jahrzehnte hinweg im Dunkeln. Bei den Männern wurde aus peripheren Blutzellen genomische DNA isoliert und CYP24A1 sequenziert [4].

    Die genetische Analyse ergab in beiden Familien Funktionsverlustmutationen der 24-Hydroxylase. Zwei der Mutationen (delE143 und L409S) waren zuvor schon bei Kindern mit idiopathischer infantiler Hyperkalzämie beschrieben worden. Zusätzlich wurde eine bis dahin unbekannte Stop-Codon-Mutation Trp268stop (W268stop) identifiziert.

    In der Familie mit dem Einzelpatienten lag eine in-frame-Deletion des hoch konservierten Glutamats in Position 143 vor. In der Familie mit zwei betroffenen Brüdern waren der Vater und ein nicht betroffener dritter Bruder heterozygote Träger der Missense-Mutation Leu409ser (L409S). Die Mutter war heterozygot für die neue Mutation Trp268stop. Die Betroffenen waren Compound-heterozygotisch. Sie hatten vom Vater die L409S-Mutation und von der Mutter die W268stop-Mutation gerbt.

Literatur:
[1] Schlingmann KP, Kaufmann M, Weber S, et al. 2011. Mutations of CYP24A1 and idiopathic infantile hypercalcemia. N Engl J Med 365:410-421.
[2] Dauber A, Nguyen TT, Sochett E, et al. 2012. Genetic defect in CYP24A1 the vitamin D-hydroxylase gene in a patient with severe infantile hypercalcemia. J Clin Endocrinol Metab 97:E268-E274.
[3] Nesterova G, Malicdan MC, Sakaki YK, et al. 2013. 1,25-(OH)2D-24-hydroxylase (CYP24A1) deficiency as a cause of nephrolithiasis. Clin J Am Soc Nephrol 8:649-657.
[4] Dinour D, Beckerman P, Ganon L, et al. 2013. Loss-of-function mutations of CYP24A1, the vitamin D 24-hydroxlase gen, cause long-standing hypercalciuric nephrolithiasis and nephrocalcinosis. J Urol 190:552-557.
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