Mikrosatellitenstatus erlaubt eine Prognose
Bei Dickdarm- und anderen Krebserkrankungen unterscheidet man zwischen mikrosatellitenstabilen (MSS)
und mikrosatelliteninstabilen (MSI) Tumoren. Mikrosatelliten sind meist funktionslose, kurze
DNA-Sequenzen, die sich häufig wiederholen. Patientinnen und Patienten mit MSI-Tumoren
haben eine deutlich höhere Überlebensrate. Der Grund liegt in einer rund 1.000-fach erhöhten
Mutationsrate der Krebszellen, die ihr Wachstum weniger erfolgreich macht. Weiterhin ist bei
Patienten mit MSI-Tumoren die innovative Immuntherapie erfolgreicher. "Es ist also für die
Prognose und die Entscheidung für eine Therapie wichtig zu wissen, um welche Art des Tumors
es sich handelt", so Prof. Dr. Anke Reinacher-Schick, Leiterin der Abteilung für Hämatologie
und Onkologie des RUB-Klinikums St. Josef-Hospital. Bisher erfolgt die differentielle Diagnose
durch immunhistochemische Färbungen von Gewebeproben mit anschließender aufwändiger Genanalyse.
Schnelle und zuverlässige Messung
Das Potenzial des IR-Imaging als diagnostisches Werkzeug zur Klassifizierung von Gewebe,
die sogenannte Label-freie digitale Pathologie, hatte die
RUB-Wissenschaftler schon in früheren Studien gezeigt. Das Verfahren erkennt
Krebsgewebe ohne vorherige Färbung oder andere Markierung und funktioniert daher auch
automatisiert mithilfe künstlicher Intelligenz. Im Gegensatz zur herkömmlichen
differentiellen Diagnose des Mikrosatellitenstatus, der etwa einen Tag dauert,
benötigt das neue Verfahren dafür nur etwa eine halbe Stunde.
Die entscheidende Verbesserung des Verfahrens liegt darin, dass das Team der
Proteinforschung es auf die Erkennung einer molekularen Veränderung des Gewebes
erweitert hat. Zuvor waren nur morphologische Visualisierungen des Gewebes möglich.
Machbarkeitsstudie ermutigt
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Pathologie der RUB und der Abteilung für Hämatologie und Onkologie des
RUB-Klinikums St. Josef-Hospital führte das Forschungsteam eine Machbarkeitsstudie
mit 100 Patientinnen und Patienten durch. Sie zeigte eine Sensitivität von 100 Prozent
und eine Spezifität von 93 Prozent: Alle MSI-Tumoren wurden mit dem neuen Verfahren
korrekt klassifiziert, wenige wurden fälschlich als MSI-Tumoren erkannt. Nun startet
eine erweiterte klinische Studie, die an Proben aus der Colopredict-Plus-2.0-Registerstudie
durchgeführt wird. Die Registerstudie wurde von Andrea Tannapfel und Anke Reinacher-Schick initiiert
und erlaubt die Validierung der Ergebnisse der veröffentlichten Arbeit.
"Interessant ist die Methodik auch, weil sehr wenig Probenmaterial verbraucht
wird, was in der heutigen Diagnostik mit immer mehr anwendbaren Techniken ein
entscheidender Vorteil sein kann", so Andrea Tannapfel.
Ein weiterer Schritt in Richtung personalisierte Medizin
Künftig soll das Verfahren in den klinischen Workflow eingebracht werden, um herauszufinden,
wie groß sein Potenzial für die Präzisionsonkologie ist. Eine schnelle und präzise
Diagnostik ist aufgrund der immer gezielteren Therapie bei onkologischen Erkrankungen
von großer Bedeutung.
Veröffentlichung
Kallenbach-Thieltges A, Großerueschkamp F, Jütte H, Kuepper C, Reinacher-Schick A,
Tannapfel A, Gerwert K. 2020. Label-free, automated classification of microsatellite
status in colorectal cancer by infrared imaging. Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-020-67052-z
Quelle: RUB
Juni 2020 |
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