Bereits seit 2006 als die ersten Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) zur Therapie des mRCC eingeführt wurden, gibt es eine Diskussion über die optimale Sequenz. Mit der Weiterentwicklung der immunonkologischen Therapien werden nun neue Akzente gesetzt. Die aktuelle Situation wurde im Rahmen eines Oxford-Webinars unter der Moderation von Dr. Friedrich Overkamp von den beiden Urologen PD Dr. med. Peter Goebell, Universitätsklinikum Erlangen, und Prof. Dr. med. Kurt Miller, Charité Berlin, erörtert. Dabei wurde deutlich, dass Tyrosinkinase-Inhibitoren bei der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms nach wie vor eine zentrale Rolle spielen [1].
Patienten mit mRCC können nach Risikogruppen stratifiziert werden: gutes (25% aller Patienten),
intermediäres (ca. 53%) und ungünstiges (ca. 22%) Risikoprofil [2]. In der
S3-Leitlinie wurde bisher in der Erstlinie vor allem zwischen Patienten mit gutem/intermediärem
und ungünstigem Risiko unterschieden [3]. Ob die Risikogruppe anhand der MSKCC- oder
der IMDCC-Parameter ermittelt wird, ist dabei nachrangig und das obwohl die
Einteilungen nicht deckungsgleich sind. Die zulassungsrelevanten Daten aus den
beiden Studien CABOSUN [4] und CheckMate-214 [5] werden dazu führen, dass zukünftig
eine exakte Bestimmung aller Risikoparameter notwendig wird, da der Einsatz von
Cabozantinib oder der Kombination Ipilimumab/Nivolumab an die jeweilige Risikogruppe
gebunden sein wird. Die Stratifizierung im Hinblick auf die Therapie wird dann
voraussichtlich eher nach gutem vs. intermediärem/ungünstigem Risiko erfolgen statt
wie bisher nach gut/intermediär vs. ungünstig.
TKI – auch „Real-world“-Daten sprechen dafür
Bislang standen für die Erstlinientherapie vor allem TKIs zur Verfügung. Die beste
Evidenz liege dabei für die beiden Substanzen Pazopanib (Votrient®) und Sunitinib
vor, so Goebell, basierend auf Daten aus mehreren Phase-III-Studien [4, 6-9]. Pazopanib
ist angezeigt zur Erstlinien-Behandlung von erwachsenen Patienten mit
fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) und zur Behandlung von Patienten,
die vorher eine Therapie ihrer fortgeschrittenen Erkrankung mit Zytokinen
erhalten hatten [10].
Die Ergebnisse aus kontrollierten klinischen Studien mit ihren strengen Ein- und
Ausschlusskriterien geben allerdings nur ein eingeschränktes Bild der „Alltagstauglichkeit“
von Therapien. Sie werden deshalb im Fall der Anwendung von TKI beim mRCC durch
verschiedene RWE-Studien ergänzt: So bewährten sich in einer US-amerikanischen
Beobachtungsstudie mit über 1.700 Medicare-Patienten, die eine Erstlinientherapie
mit einem der beiden TKI Pazopanib oder Sunitinib erhielten, die beiden TKI als
wirksam und verträglich – mit leichten Vorteilen für Pazopanib, was das Überleben
und die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme anging (Hazard Ratio (HR):0,83;
95%-Konfidenzintervall (KI): 0,72–0,97; p=0,016) [11]. Auch die
prospektive, bundesweite, multizentrische Beobachtungsstudie PAZOREAL, deren
zweite Interimsanalyse im Rahmen der 54. Jahrestagung der American Society
of Clinical Oncology (ASCO) 2018 in Chicago (IL)/USA vorgestellt wurde,
bestätigt den TKI Pazopanib als effektive und sichere Therapieoption unter
Alltagsbedingungen [12]. Eine ähnliche Tendenz zeigen die Ergebnisse der
PRINCIPAL-Studie, der größten prospektiven, multinationalen Beobachtungsstudie
zur generellen Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von Pazopanib bei
Patienten mit mRCC unter Praxisbedingungen, deren Ergebnisse ebenfalls auf
dem ASCO 2018 vorgestellt wurden [13]. „Insgesamt zeigt Pazopanib gegenüber
Sunitinib konsistent eine bessere Verträglichkeit bei gleicher Wirksamkeit,
auch bei jüngeren, fitten Patienten mit gutem Risikoprofil“, so Goebell.
TKI First – immer noch eine Option für viele Patienten
Die Prüfung und Zulassung von Immuncheckpoint-Inhibitoren verändert in
vielen onkologischen Indikationen die Therapiealgorithmen. Wie Prof. Miller
ausführte, war eine Kombination aus dem PD-1-Antikörper Nivolumab und dem
CTLA-4-Antikörper Ipilimumab in der CheckMate-214-Studie in der Erstlinie
bei Patienten mit mRCC der Vergleichssubstanz Sunitinib hinsichtlich
Ansprechrate, Dauer des Ansprechens und Gesamtüberleben signifikant überlegen [5].
Subgruppenanalysen zeigten aber, dass dies nur auf Patienten mit
intermediärem oder ungünstigem Risikoprofil zutraf. „Bei Patienten mit
gutem Risikoprofil, bestimmt nach den IMDC-Kriterien, kehrten sich die
Verhältnisse um: Auch wenn diese Analyse nur explorativ war, muss man annehmen,
dass Patienten mit gutem Risikoprofil von der Anwendung der kombinierten
Immuntherapie gegenüber TKI nicht in vergleichbarer Weise profitieren würden“,
erläuterte Miller. Bezüglich der Verträglichkeit, so Miller weiter, schnitt
die Immuntherapie in der CheckMate-214-Studie gut ab, allerdings wurde sie
dort von mehr Patienten abgebrochen als die TKI-Therapie.
Die Zulassung der Kombinations-Immuntherapie für die Erstlinie des mRCC
wird in Kürze erwartet – mit einer Beschränkung auf Patienten mit
intermediärem und ungünstigem Risikoprofil [14]. Insbesondere bei Patienten
mit intermediärem Risiko ist nicht eindeutig, welche Therapie zu bevorzugen
wäre: „Die Abgrenzung von Patienten mit gutem Risikoprofil ist nicht
unproblematisch, weil bereits eines von nur sechs Kriterien ausreicht,
um als ‚intermediär‘ eingestuft zu werden. Im Hinblick darauf wären
detailliertere Subgruppenanalysen der CheckMate-214-Ergebnisse entsprechend
der Zahl der Risikofaktoren wünschenswert“, waren sich die beiden Onkologen
einig. Als vorläufige Empfehlung könne gelten, dass man auch bei intermediärem
Risikoprofil in der Erstlinientherapie unter folgenden Voraussetzungen mit
einem TKI beginnt: bei älteren Patienten, bei Patienten mit Komorbiditäten,
wenn die Lebenssituation gegen eine i.v.-Therapie spricht, wenn schnelles
Ansprechen erforderlich ist – wie es vor allem mit dem TKI Pazopanib erreicht
werden kann – und bei hohem Remissionsdruck.
Als Fazit der Oxford-Debatte fasste Overkamp zusammen, dass die TKI ganz offensichtlich weiter eine wichtige Rolle in der Therapie des mRCC spielen werden: Auch wenn mit der Checkpoint-Inhibition ein neuer Standard hinzukommen könnte, werden sie ihre Bedeutung bei Patienten mit gutem und bei einigen mit intermediärem Risikoprofil voraussichtlich behalten.
mRCC: Metastatic Renal Cell Carcinoma Quelle: Novartis Oncology Pressemitteilung „Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Pazopanib (Votrient®) von
Novartis bleiben wichtige Erstlinienoption beim metastasierten Nierenzellkarzinom“,
15. Januar 2019; Autor: Novartis Pharma GmbH. Votrient® (Pazopanib) Referenzen:
MSKCC: Memorial Sloan Kettering Cancer Center-Score
IMDC: International Metastatic renal-cell carcinoma Database Consortium score
RWE: Real-World-Evidence
IMDC: International Metastatic Renal-Cell Carcinoma Database Consortium Score
EAU: European Association of Urology
ESMO: European Society for Medical Oncology
NCCN: National Comprehensive Cancer Network
Das „Small Molecule“ Votrient® (Pazopanib) ist zur Erstlinienbehandlung von
erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom zugelassen
sowie zur Behandlung von Patienten, die vorher eine Therapie ihrer
fortgeschrittenen Erkrankung mit Zytokinen erhalten hatten [10]. Im Juni 2010
wurde der potente Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor, damals als Produkt von
GlaxoSmithKline (GSK), durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA)
„unter Auflagen“ erstmalig zugelassen. Mit der COMPARZ-Studie konnte
Pazopanib seine Nicht-Unterlegenheit (Non Inferiority) gegenüber Sunitinib
beweisen (Auswertung der ITT-Population) [6]. Aufgrund dieser Studie erfolgte
im Juli 2013 die Umwandlung durch die EMA in eine Zulassung ohne Auflagen [15].
Durch Transaktionen mit GSK ist das Produkt seit März 2015 Teil des
Onkologie-Portfolios von Novartis Oncology. Pazopanib ist ein etablierter
Standard in der Erstlinientherapie bei Patienten mit niedrigem und mittlerem
Risiko (nach MSKCCH-Risikokriterien) [16]. Die beiden europäischen Leitlinien
der EAUF 2018 [17] als auch der ESMOG 201618 und die amerikanischen Leitlinien
der NCCNH 2017 [19] empfehlen Pazopanib in diesen Risikogruppen zur Erstlinientherapie
beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC) mit dem höchsten Empfehlungsgrad,
die Leitlinien der EAU zudem auch bei hohem Risiko [17].
[1] Oxford-Webinar: mRCC Therapie – TKI vs. IO. 12. Juni 2018.
[2] Motzer RJ, et al. Survival and prognostic stratification of 670 patients with
advanced renal cell carcinoma. J Clin Oncol. 1999; 17:2530-40.
[3] S3 -Leitlinie S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms
(Version 1.2, 2017) Online unter:
https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Nierenzellkarzinom/LL_Nierenzell_Langversion_1.2.pdf
Letzter Zugriff: 17.07.2018.
[4] Choueiri TK, et al. Cabozantinib versus sunitinib as initial targeted therapy for
patients with metastatic renal cell carcinoma of poor or intermediate risk:
The Alliance A031203 CABOSUN trial. J Clin Oncol 2017; 35:591-597.
[5] Motzer RJ, et al. Nivolumab plus Ipilimumab versus Sunitinib in Advanced Renal-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2018; 378:1277-1290.
[6] Motzer RJ, et al. Pazopanib versus sunitinib in metastatic renal-cell carcinoma. N Engl J Med 2013; 369:722-731.
[7] Motzer RJ, et al. Overall survival and updated results for sunitinib compared with
interferon alfa in patients with metastatic renal cell carcinoma. J Clin Oncol 2009; 27:3584-3590.
[8] Sternberg CN, et al. Pazopanib in locally advanced or metastatic renal cell carcinoma: results of
a randomized phase III trial. J Clin Oncol 2010; 28:1061-1068.
[9] Escudier B, et al. Randomized, controlled, double-blind, cross-over trial assessing
treatment preference for pazopanib versus sunitinib in patients with metastatic renal cell
carcinoma: PISCES Study. J Clin Oncol 2014; 32:1412-1418.
[10] Fachinformation Votrient® 200 mg/400 mg Filmtabletten.
[11] Vogelzang NJ, et al. Clinical and economic outcomes in elderly advanced renal cell carcinoma
patients starting pazopanib or sunitinib treatment: A retrospective Medicare claims analysis. Adv Ther 2017; 34:2452-2465.
[12] Bögemann M, et al. Effectiveness and safety of pazopanib (PAZO) and everolimus (EVE)
in a changing treatment (Tx) landscape: Interim results of the non-interventional study PAZOREAL.
J Clin Oncol 2018; 36:Abstract 4584.
[13] Schmidinger M, et al. Prospective, multinational, observational study of real-world treatment
outcomes with pazopanib in patients with advanced or metastatic renal cell carcinoma (PRINCIPAL Study).
J Clin Oncol 2018; 36:Abstract 4574.
[14] EMA/CHMP/788598/2018, 15 November 2018.
https://www.ema.europa.eu/documents/smop/chmp-post-authorisation-summary-positive-opinion-opdivo-ws-1278_en.pdf .
Letzter Zugriff: 06.12.2018
[15] Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit. Votrient. Pazopanib.
http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Summary_for_the_public/human/001141/WC500094273.pdf .
Letzter Zugriff: 20.06.2018.
[16] Maute L, Bergmann L. Systemtherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms. Onkologe 2015; 21:35–42.
[17] Ljungberg B, et al. Guidelines on renal cell carcinoma. European Association of Urology 2018. Online unter:
https://uroweb.org/guideline/renal-cell-carcinoma/. Letzter Zugriff: 29.06.2018.
[18] Escudier B, et al. Renal cell carcinoma: ESMO clinical practice guidelines for diagnosis,
treatment and follow-up. Ann Oncol 2016; 27:58–69
[10] Motzer RJ, et al. Kidney Cancer, Version 2.2017, NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology.
J Natl Compr Canc Netw 2017;15:804-834.
17. Januar 2019
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