Neue Therapieoption beim metastasierten kolorektalen Karzinom
Chance auf mehr Lebenszeit mit Trifluridin/Tipiracil


Für intensiv vorbehandelte Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC) steht seit kurzem ein neues orales Zytostatikum zur Verfügung. Patienten, bei denen alle bisher verfügbaren Therapieoptionen ausgeschöpft wurden, kann mit LONSURF® (Trifluridin/Tipiracil) nun eine weitere Therapielinie angeboten werden. Damit bekommen diese Patienten die Chance auf mehr Lebenszeit, berichteten Experten auf der Einführungspressekonferenz in München. In der zulassungsrelevanten RECOURSE-Studie hatte LONSURF® nicht nur das Gesamtüberleben verlängert und das Sterberisiko im Vergleich zu Placebo um 32% reduziert, sondern sich auch als eine sehr gut verträgliche Therapie erwiesen, mit der Lebensqualität und Allgemeinzustand der intensiv vorbehandelten Patienten lange erhalten werden konnten.

Die in Phase-II/III-Studien erzielten Überlebenszeiten von Patienten mit mCRC haben sich in den letzten 15 Jahren deutlich verbessert. So können mit Chemotherapien wie FOLFIRI, FOLFOX oder FOLFOXIRI in Kombination mit EGFR- oder VEGF-Antikörpern mediane Gesamtüberlebenszeiten um die 30 Monate erzielt werden. „Diese Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit ist multifaktoriell. Sie ist - neben Maßnahmen wie dem multidisziplinärem Tumorboard für jeden einzelnen Patienten - dem „Continuum of Care“, der Anwendung verschiedener zytostatischer und molekularbiologisch gezielter Therapielinien in der richtigen Sequenz geschuldet“, berichtete Prof. Volker Heinemann, Direktor des Comprehensive Cancer Centers CCCLMU am Klinikum Großhadern, München.

Continuum of Care bei mCRC-Patienten - schrittweise Verlängerung des Überlebens

Durch die neuen Erkenntnisse bezüglich der Tumorbiologie ist die Behandlung des mCRC komplexer geworden. Nach den aktuellen Leitlinien der ESMO (European Society for Medical Oncology) [1] erfolgt die Therapieentscheidung basierend auf dem RAS- und BRAF-Status der Patienten. „Die Molekularbiologie steht bei den Patienten mit nicht klar resezierbaren Metastasen, die wir mit dem Ziel der größtmöglichen Reduktion der Tumorlast behandeln, im Mittelpunkt der durch die ESMO-Leitlinien vorgegebenen Entscheidungsfindung“, erklärte Heinemann. So sollen RAS-Wildtyp-Patienten eine Kombination aus 2 Zytostatika („Chemotherapiedoublette") plus eine anti-EGFR-Therapie erhalten und Patienten mit RAS-mutiertem Tumor eine Chemotherapiedoublette in Kombination mit Bevacizumab. Die ESMO empfiehlt darüber hinaus auch die Testung des BRAF-Status der Patienten, eine Maßnahme, der Heinemann noch zurückhaltend gegenüber steht. „Nur etwa 10% der Patienten mit mCRC haben eine BRAF-Mutation. Wir wissen zwar, dass diese Patienten die schlechteste Prognose haben, es gibt aber kaum Evidenzen zu ihrer bestmöglichen Behandlung“. Die ESMO rät bei dieser Subgruppe der Patienten mit BRAF-Mutation zu der aggressiven Dreifachchemotherapie FOLFOXIRI mit oder ohne Bevacizumab, um eine möglichst frühe Reduktion der Tumorlast zu erreichen. Heinemann wies jedoch darauf hin, dass nicht alle Patienten diese aggressive Therapie erhalten könnten - der typische Darmkrebspatient sei um die 70 Jahre alt und weise bereits Komorbiditäten auf. Interessant sei, dass es auch bei Patienten mit BRAF-Mutation Subtypen zu geben scheint, da auf dem ESMO World Congress on Gastrointestinal Cancer (WCGC) 2016 auch bei einigen Subpopulationen ein Ansprechen auf eine anti-EGFR-Therapie gezeigt worden sei [2]. In Deutschland gibt es derzeit nur eine einzige aktive Studie für mCRC-Patienten mit BRAF-Mutation, die MODUL-Studie. Die geringe Anzahl von in klinischen Studien behandelten mCRC-Patienten sei generell ein großes Problem, merkte Heinemann an. „Die große Masse an Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom in Deutschland wird nicht im Rahmen von klinischen Studien behandelt – sehr oft aufgrund der Einschlusskriterien, mit denen der typische mCRC-Patient im klinischen Alltag nicht erfasst wird“, erläuterte Heinemann.

Auch die Lokalisation des Primärtumors im Darm spielt eine Rolle bei der Therapieentscheidung. So haben rechtsseitige Tumoren eine deutlich schlechtere Prognose, führte Heinemann aus. Auch die Testung auf eine Mismatch Repair Defizienz (MRD) der Tumoren ist heute Standard. Bei Tumoren mit einer solchen Mikrosatelliteninstabilität (MSI) kommt eine immuntherapeutische Therapie mit PD-1-Inhibitoren in Betracht. Voraussetzung für alle genannten Therapieoptionen sei ein ausreichender Fitnesszustand der Patienten, der sich weniger nach dem Alter des Patienten, sondern vielmehr nach seiner Organfunktion und Motivation bemesse, so Heinemann. „Eine frühe Reduktion der Tumorlast und eine möglichst tiefe Remission korrelieren mit dem Gesamtüberleben. Unser Ziel ist eine lange Krankheitskontrolle bei akzeptabler Lebensqualität für jeden einzelnen Patienten.“

Therapie um einen weiteren Schritt verlängern

„Was können wir für unsere mCRC-Patienten tun, wenn sie bereits viele Therapielinien durchlaufen haben, die Patienten aber in gutem Allgemeinzustand und motiviert sind, eine rein palliative Therapie mit „Best Supportive Care“ für sie also nicht in Frage kommt? – In dieser Situation bietet uns LONSURF® eine neue Option“, konstatierte Prof. Meinolf Karthaus, Chefarzt des Tumorzentrums München Süd am Klinikum Harlaching und Neuperlach. Dabei ermögliche die Wirkstoffkombination Trifluridin/Tipiracil den neuen Wirkmechanismus des oralen Zytostatikums. „Die chemische Struktur ist innovativ, Tipiracil bremst den Abbau des antineoplastischen Trifluridin durch die Thymidin-Phosphorylase (TP)“, erklärte Karthaus. Für Trifluridin/Tipiracil wurde auch bei 5-FU-resistenten kolorektalen Tumorzelllinien eine Antitumoraktivität nachgewiesen [3]. Die zytotoxische Aktivität von LONSURF® beruht auf dem Einbau von Trifluridin in die DNA, was zu einer langfristigen Hemmung des Tumorwachstums führt, wie präklinische Daten am Xenograft-Mausmodell gezeigt haben [4].

Verlängerung des Gesamtüberlebens bei vorbehandelten Patienten

Phase-II-Daten einer japanischen, doppelblinden und Placebo-kontrollierten Studie, die Trifluridin/Tipiracil in Kombination mit Best Supportive Care (BSC) bei 172 Patienten mit vorbehandeltem mCRC untersuchte, waren vielversprechend [5]. Im Vergleich zu Placebo reduzierte Trifluridin/Tipiracil das Sterberisiko der Patienten, verbesserte signifikant das progressionsfreie Überleben, erhöhte die Rate der Patienten mit einer Krankheitskontrolle im Vergleich zu Placebo und verlängerte das mediane Gesamtüberleben von 6,6 auf 9,0 Monate (p=0,0011).

Zulassungsrelevant für LONSURF® waren die Daten der Phase-III-Studie RECOURSE [6]. Primärer Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben, basierend auf der "intent-to-treat" (ITT) Population. Ziel war eine 25%-ige Reduktion des Sterberisikos. Die Patienten mussten mindestens zwei Standardchemotherapien erhalten und innerhalb von sechs Monaten ein Rezidiv oder innerhalb von drei Monaten einen Krankheitsprogress erlitten haben. „Auch in dieser Studie mussten die Patienten fit sein, mit einem ECOG-Status von 0 bis 1 und sie waren jünger als unsere Durchschnittspatienten“, kommentierte Karthaus. Die Patienten erhielten BSC und entweder zweimal täglich Trifluridin/Tipiracil (35 mg/m2) oder Placebo an fünf aufeinanderfolgenden Tagen mit zwei Tagen Pause für zwei Wochen. Diese Behandlung wurde alle vier Wochen wiederholt. Die radiologische Untersuchung des Tumors zur Beurteilung des Ansprechens erfolgte alle acht Wochen. Alle 800 randomisierten Patienten hatten zuvor eine Fluoropyrimidin-, Oxaliplatin- bzw. Irinotecan-basierte Chemotherapie sowie Bevacizumab erhalten, Patienten mit KRAS-Wildtyp bekamen Cetuximab oder Panitumumab. Der primäre Endpunkt der Studie wurde erreicht: Im Trifluridin/Tipiracil-Arm war das mediane Gesamtüberleben um 1,8 Monate von 5,3 auf 7,1 Monate verlängert. Dies entsprach einer statistisch signifikanten Reduktion des Sterberisikos um 32% (HR 0,68; p<0,001).

RECOURSE-Studie: Finale Analyse bestätigt Vorteil für Trifluridin/Tipiracil

Erhebungsdatum für die im New England Journal publizierten Daten [6] war Januar 2014. Beim Gastrointestinal Cancers Symposium der ASCO wurde im Januar 2016 eine Follow-Up-Analyse des Gesamtüberlebens mit den Daten bis Oktober 2014 präsentiert [7]. 89% der Patienten waren bis zu diesem Zeitpunkt verstorben. „Hier sollte man bedenken, dass es sich um eine last line-Therapie handelt – diese Patienten versterben an ihrer Erkrankung“, kommentierte Karthaus. Das mediane Gesamtüberleben unter Trifluridin/Tipiracil hatte sich in dieser finalen Analyse der Überlebensdaten noch einmal leicht verbessert und lag bei 7,2 Monaten gegenüber 5,2 Monaten im Placebo-Arm. Die 1-Jahres-Überlebensrate verbesserte sich absolut um 10,5%.

„Das Nebenwirkungsprofil von Trifluridin/Tipiracil ist gut beherrschbar“, berichtete Karthaus weiter. „Unterschiede zur reinen Best Supportive Care wurden in der RECOURSE-Studie neben gastrointestinalen Ereignissen vor allem bei den Laborbefunden sichtbar, also bei den hämatologischen Ereignissen. Hinsichtlich der subjektiv belastenden Nebenwirkungen ist Trifluridin/Tipiracil sehr gut verträglich“. Karthaus wies auch darauf hin, dass sich unter der Therapie mit Trifluridin/Tipiracil länger ein guter Allgemeinzustand der Patienten erhalten ließ als unter der reinen BSC.

LONSURF® war in Deutschland vor der Markteinführung bereits im Rahmen eines Arzneimittel-Härtefallprogramms (Compassionate Use Program) verfügbar, in das auch Karthaus Patienten eingebracht hat. „Die gute Verträglichkeit aus den klinischen Studien fanden wir in der Praxis bestätigt“, berichtete Karthaus. Derzeit wird LONSURF® in verschieden klinischen Studien in früheren Therapielinien und verschiedenen Kombination mit anderen Zytostatika und Bevacizumab beim CRC und auch beim Magenkarzinom weiterentwickelt. Karthaus und Heinemann betonten außerdem die Wichtigkeit von Post-Zulassungsstudien, da klinische Studien nicht die Alltagspatienten abbildeten. SERVIER bemüht sich derzeit, solche Studien zur Erhebung der Lebensqualität mit Trifluridin/Tipiracil auf den Weg zu bringen.

Mascha Pömmerl, Feldkirchen-Westerham

Literatur:
[1] Van Cutsem E et al. ESMO consensus guidelines for the management of patients with metastatic colorectal cancer. Ann Oncol 2016;27:1386-1422
[2] Stintzing S et al. BRAF mutant and RAS mutant patients treated with FOLFIRI plus Bevacizumab or FOLFIRI plus Cetuximab. Role of ETS and molecular markers in FIRE-3 (AIO KRK-0306). Ann Oncol 2016;27 (Supplement 2):iii112 (PD027)
[3] Emura T et al. A novel combination antimetabolite, TAS-102, exhibits antitumor activity in FU-resistant human cancer cells through a mechanism involving FTD incorporation in DNA. Int J Oncol 2004;25:571-578
[4] Tanaka N,et al. Repeated oral dosing of TAS-102 confers high trifluridine incorporation into DNA and sustained antitumor activity in mouse models. Oncol Rep 2014;32:2319-2326
[5] Yoshino T, et al. TAS-102 monotherapy for pretreated metastatic colorectal cancer: a double-blind, randomised, placebo-controlled phase 2 trial. Lancet Oncol 2012;13:993-1001
[6] Mayer R, et al. Randomized trial of TAS-102 for refractory metastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2015;372:1909-19
[7] Mayer et al. TAS-102 versus placebo plus best supportive care in patients with metastatic colorectal cancer refractory to standard therapies: Final survival results of the phase III RECOURSE trial. J Clin Oncol 2016; 34 (suppl 4S;abstr. 634)

Quelle: Pressekonferenz zur Einführung von Lonsurf® am 14. September 2016 in München. Veranstalter: Servier Deutschland



Oktober 2016


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