Bipolare Androgentherapie bei kastrationsresistentem Prostatakrebs
Bei Prostatakrebszellen ist der Übergang vom hormonsensitiven in das kastrationsresistente Stadium
vorwiegend mit adaptiv hochregulierter Expression des Androgenrezeptors (AR) verbunden.
Auch wenn normalerweise davon ausgegangen wird, dass die gesteigerte AR-Expression als Resistenzfaktor
gegenüber AR-Signaltransduktion fungiert, kann damit auch therapeutische Ansprechbarkeit bewirkt sein.
Letzteres wurde an verschiedenen AR-überexprimierenden Prostatakrebs-Zelllinien festgestellt,
bei denen die Exposition mit supraphysiologischen Testosteron-Spiegeln zu abgeschwächtem Zellwachstum
und Zelltod führte. Diese therapeutische Strategie (bipolare Androgen-Therapie, BAT) ließ sich anhand
einer Reihe prospektiver Studien in der Klinik nachvollziehen Schweizer et al. 2017:
Begründungen für die bipolare Androgentherapie
Isaacs et al.(2017) begründen die Methode des bipolaren Wechsels zwischen pharmakologisch
hohem Testosteron und nachfolgendem raschen Abfall des Testosteronspiegels auf Kastrationsniveau
wie folgt: Während der Karzinogenese in der Prostata erlangt der AR einen onkogenen Funktionszugewinn
in Bezug auf die Lizenzierung der DNA-Replikation, die zur malignen Zellproliferation erforderlich ist.
Dieser Umstand ist an die stark erhöhte Expression des AR-Proteins (>50–100-fach bei der nachfolgenden
Progression zum metastasierten kastrationsresistenten Prostatakrebs (mCRPC) unter der
Androgenentzugstherapie gekoppelt.
Als Begründung für die BAT bei metastasiertem Prostatakrebs werden insbesondere zwei
Mechanismen herausgestellt. Zum einen könnten antitumoröse Effekte bei hoher Testosteronzufuhr
mit der Rolle des AR als DNA-Replikation-lizenzierender Faktor zusammenhängen.
Dessen Anwesenheit im Zellkern ist erforderlich, um die DNA-Replikation einzuleiten.
Während der frühen G1-Phase des Zellzyklus binden nukleäre AR in mCRPC-Zellen an den
DNA-Startpunkt-Erkennungskomplex (origin recognition complex, ORC). Dieser ORC wird für
die Lizenzierung der DNA-Replikation während der S-Phase benötigt. Die AR-ORC-Koppelung
bleibt bis in die späte Mitose bestehen. Dann muss AR als Lizenzierungsfaktor durch Degradation
entfernt werden, so dass im nächsten Zellzyklus relizensiert
werden kann. Bei Vorliegen pharmakologischer Serum-Testosteronspiegel, überstabilisiert
vermehrter Ligand ORC-gebundene AR und verhindert deren hinreichenden Abbau mit der Folge
des Zelltods im folgenden Zyklus.
Ferner variiert das AR-Transkriptom wenn Zelllinien mit hoher AR-Expression entweder hohen
oder niedrigen Androgenkonzentrationen ausgesetzt sind. Bei hohem Androgen, reprimiert
AR verschiedene Gene (AR wie auch an der Androgensynthese, der DNA-Synthese und
der Proliferation beteiligte Gene.
Extremes Ansprechen auf die bipolare Androgentherapie
Teply et al. (2017) schildern den Fall eines 70-jährigen mCRPC-Patienten mit außergewöhnlich
gutem und langanhaltendem BAT-Ansprechen. Der Mann war ursprünglich mit einem Gleason-9-Tumor
vorstellig geworden und hatte sich einer radikalen Prostatektomie und nachfolgend einer
Salvage-Strahlentherapie unterzogen. Als nach zwei Jahren das Prostata-spezifische Antigen (PSA)
anstieg, folgten sequenziell antihormonelle Therapien mit Bicalutamid, Nilutamid, Ketoconazol
und Enzalutamid (Abb.). Als es nach Enzalutamid zur Progression kam (die Zielläsion im
iliakalen Lymphknoten betrug 3,3 cm), wurde die Therapie mit 400 mg Testosteroncypionat
intramuskulär alle 28 Tage und kontinuierlich mit einem LHRH-Analogon fortgeführt.
Der PSA-Spiegel sank nach zwei Zyklen unter die Nachweisgrenze und ist seit 20 Monaten
nicht wieder angestiegen. Nach sechs Zyklen wurde komplettes radiographisches Ansprechen erreicht.
Aktuell hat der Patient weiterhin keine Anzeichen der Krankheit in der Knochenszintigrafie und
nicht nachweisbares PSA.
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Abb.:
Zeitlicher Verlauf der Prostata-spezifisches Antigen (PSA)-Spiegel als Reaktion auf die
angezeigten hormonellen Therapien (Teply BA, et al. 2017).
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Fazit
Supraphysiologische Testosteronspiegel sind in der Lage, pharmazeutische Effekte in
Androgenrezeptor-überexprimierenden Prostatakrebszellen auszuüben, die zur Inhibition
des Prostatakrebs-Wachstums führen.
Quellen:
Schweizer MT, Antonarakis ES, Denmeade SR, 2017.
Bipolar androgen therapy: a paradoxical approach for the treatment of castrationresistant
prostate cancer. Eur Urol 72:323-325.
Isaacs JT, Brennen WN, Denmeade SR, 2017.
Rationale for bipolar androgen therapy (BAT) for metastatic prostate cancer, Cell Cycle, 16:1639-1640.
Teply BA, Kachhap S, Eisenberger MA, Denmeade SR, 2017. Extreme response to high-dose
testosterone in BRCA2- and ATM-mutated prostate cancer. Eur Urol 71:497-499.
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